Caligula - Eine Biographie
des Romulus und des Augustus gerechtfertigt haben, die sich jeweils verheiratete Frauen zur Gattin wählten. Augustus hatte Livia sogar in schwangerem Zustand geheiratet. Livia Orestilla verhielt sich jedoch ganz anders als ihre gleichnamige Vorgängerin. Die adlige junge Dame scheint am Status einer Kaiserin, für den andere ganz anderes auf sich zu nehmen bereit gewesen wären, kein Interesse gehabt zu haben, vielmehr ihrem selbst erwählten Gatten treu geblieben zu sein. Sie pflegte unerlaubten Verkehr mit ihm und disqualifizierte sich dadurch erfolgreich für die ihr zugedachte Aufgabe, legitimen kaiserlichen Nachwuchs zu gebären. Nach kurzer Zeit soll die Ehe geschieden, Orestilla aus Rom verbannt worden sein. Die ganze Episode wird mit widersprüchlichen Details berichtet. Die Tatsache, daß Calpurnius Piso im Mai 38 anstelle von Silanus in das vornehme Priesterkollegium der Arvalbrüder aufgenommen wurde, deutet darauf hin, daß die Wahl der Braut wohl weniger spektakulär, jedenfalls mit Zustimmung des vorherigen Bräutigams erfolgte und somit durchaus römischen Gepflogenheiten entsprach.
Andere, im engeren Sinne politische Maßnahmen Caligulas waren demgegenüber erfolgreicher. Von den üblichen Neujahrseiden auf die Anordnungen der früheren Kaiser wurde Tiberius im Jahre 38 ausgeschlossen, was der vom Senat ursprünglich beabsichtigten Tilgung seines Andenkens entgegenkam. Caligula hob zudem das unter Tiberius erfolgte Verbot der Geschichtswerke des Titus Labienus, Cremutius Cordus und Cassius Severus auf und bekundete, es sei ihm sehr daran gelegen, daß alle Taten der Nachwelt überliefert würden. Erstmalswurden sodann wieder die
rationes imperii,
eine Art Rechenschaftsbericht über die militärische und finanzielle kaiserliche Verwaltung des Reiches, veröffentlicht und dem Senat vorgelegt. Es ist zwar aufgrund der komplizierten Verhältnisse der verschiedenen kaiserlichen und öffentlichen Kassen jener Zeit nicht klar, welche Zahlungen genau davon betroffen waren, in jedem Falle handelte es sich jedoch um eine Maßnahme, die gut zur offiziell verkündeten Teilung der Herrschaft zwischen Kaiser und Senat paßte. Weitere Neuerungen galten dem Gerichtswesen. Caligula schränkte die Appellationsmöglichkeit an ihn selbst ein, was die Tätigkeit vor allem der senatorischen Amtsträger deutlich aufwertete. Außerdem wurde zur Entlastung der Rechtsprechung eine fünfte Richterdekurie eingesetzt. Schließlich führte der Kaiser eine seit langem notwendig gewordene Ergänzung des Ritterstandes durch, entfernte unwürdige Personen und nahm neue auf, wobei besonders vornehme und reiche Honoratioren der Städte des Reiches berücksichtigt wurden. Verschiedenen von ihnen verlieh er, obwohl sie keine Senatsmitglieder waren, statt der ritterlichen senatorische Standesabzeichen.
Für ganz Italien erließ Caligula die wohl zuvor schon auf 0,5 % reduzierte allgemeine Verkaufssteuer, wovon vor allem die einfacheren Schichten der Bevölkerung profitierten. Auf das stadtrömische Volk zielte zudem die Wiedereinführung des alten Verfahrens der Magistratswahlen. Diese waren unter Tiberius den Volksversammlungen genommen und dem Senat übertragen worden, was für den Kaiser den Vorzug einer leichteren Kontrolle, für die Senatoren eine deutliche Entlastung hinsichtlich der ruinösen, vor allem aus der Veranstaltung von Spielen resultierenden Wahlkampfausgaben bedeutet hatte. Cassius Dio macht deutlich, daß die Neubelebung der Volkswahl in der Aristokratie auf Skepsis stieß. Möglicherweise zielte sie tatsächlich auf die Vorteile, die dem Volk in Rom durch die Aufwendungen der Bewerber entstanden. Jedenfalls unterblieben in der Folgezeit politische Effekte, da die Anzahl der Kandidaten weitgehend mit der Zahl der Stellen übereinstimmte und dementsprechend auch das Interesse der Wähler am Wahlverfahren so gering war, daß es von Caligula später selbst wieder abgeschafft wurde. Vermutlich wurde im selben Zusammenhangauch die Gründung von
collegia
wieder zugelassen. Es handelte sich dabei um Korporationen und Vereine, die wirtschaftlichen und geselligen Zwecken primär der einfacheren Bevölkerung dienten und zur Zeit der späten Republik aus politischen Gründen verboten worden waren. Schließlich veranstaltete Caligula wiederum äußerst aufwendige – und blutige – Gladiatorenspiele, ließ in den Saepten, ursprünglich das Gebäude für Volksversammlungen, den Boden ausheben und mit Wasser fluten, so daß dort
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