Caligula - Eine Biographie
Festveranstaltungen, deren Höhepunkt die feierliche Einweihung des von ihm fertiggestellten Tempels für seinen Urgroßvater, den vergöttlichten Augustus bildete. Alle Senatoren samt ihrer Ehefrauen und das Volk von Rom wurden vom Kaiser zu einem in der Stadt veranstalteten Gastmahl geladen. Es wurden Spiele von noch nie dagewesener Aufwendigkeit gegeben, unter anderem Tierhetzen, bei denen 400 Bären und eine gleiche Zahl weiterer Raubtiere aus Libyen erlegt wurden, sowie Reiterspiele, bei denen sich die aristokratische Jugend in großer Pracht zeigen durfte und Caligula selbst einen sechsspännigen Triumphwagen fuhr. Es war «ein Ereignis, das man noch nie erlebt hatte» (Cass. Dio 59, 7, 4). Aber auch zeremonielle Erleichterungen des Umgangs mit ihm selbst verfügte der Kaiser während seines Konsulates. Er verbot die üblichen Begrüßungsformen, mit denen man ihm in der Stadt begegnete und durch die seine allen anderen gegenüber herausgehobene Stellung manifestiert wurde. Statt dessen erschien er fortan im städtischen Raum – hinsichtlich der zeremoniellen Formen – als einfacher Bürger.
Die ersten Monate der Herrschaft des Caligula, dies werden schon die aristokratischen Zeitgenossen mit Genugtuung bemerkt haben, lassen sich als deutlicher Versuch einer Kopie des augusteischen Prinzipats charakterisieren: Auf der offiziellenpolitischen Ebene trat seine Alleinherrschaft nicht zutage, wurde vielmehr die Herrschaftsteilung zwischen Prinzeps und Senat propagiert. Auf der gesellschaftlichen Ebene wurden die traditionellen, Egalität symbolisierenden Formen der Kommunikation zwischen Kaiser und Senatsaristokratie genau beachtet. Der Kaiser verzichtete somit darauf, daß die seiner politischen Machtstellung entsprechende Ehre im alltäglichen gesellschaftlichen Verkehr in Erscheinung trat. Im städtischen Raum bestand er auf Kommunikationsformen, wie sie einem normalen (aristokratischen) Bürger zukamen, was die Römer als
civilitas,
als «bürgerliche Bescheidenheit» lobten. Auf der anderen Seite war er unbestreitbar der Alleinherrscher: Er hatte die militärischen Gewaltmittel zu seiner alleinigen Verfügung, und dies konnte jeder Senator – beim Exerzieren der Prätorianer – auch bemerken. Er nutzte seine allen anderen überlegenen finanziellen Mittel, um sich neben den Soldaten auch das Volk von Rom durch Geschenke und Spiele zu verpflichten. Er baute geschickt das Familienprestige aus, das ihm aufgrund seiner Herkunft zukam und das seine Stellung als Kaiser festigte.
All dies bedeutete aber zugleich, daß die doppelbödige Kommunikation, die sich unter Augustus etabliert hatte, die die Paradoxie der Gleichzeitigkeit von Adelsrepublik und Alleinherrschaft überdecken mußte und die unter Tiberius kollabiert war, jetzt wieder aufgenommen und fortgeführt wurde. Der Senatsbeschluß, Caligulas Konsulatsrede aufzuzeichnen und jährlich erneut verlesen zu lassen, zeigt aufschlußreich das Bewußtsein dieses Sachverhaltes seitens der Senatoren und zugleich die Komplexität dieser Kommunikationsverhältnisse. Er zeugt vom Wissen, daß die Teilung der Herrschaft allein von des Kaisers Gnaden war und jederzeit wieder zurückgenommen werden konnte, also – tatsächlich gar keine Teilung der Herrschaft darstellte. Andererseits konnten das vorhandene Mißtrauen gegenüber der kaiserlichen Ankündigung der Herrschaftsteilung und der Versuch, ihn auf die Einhaltung dieser Ankündigung zu verpflichten, als solche nicht offen zum Ausdruck gebracht werden – dies hätte das kaiserliche Versprechen als unglaubwürdig erscheinen lassen –, sie mußten vielmehr die indirekte Form einer Ehrung annehmen. Sie besagte auf der manifesten Ebene: Der Kaiser hat eine so bedeutsame undwichtige Rede gehalten, daß sie es verdient, jährlich erneut verlesen zu werden. Die Ehrung beinhaltete aber zugleich auch die Information: Der Kaiser hat die Herrschaft gar nicht geteilt, sonst brauchte man nicht zu versuchen, ihn auf solche Weise zu verpflichten.
Daß den Senatoren diese Form der Kommunikation bestens vertraut war, überrascht nicht. Wie aber kam es, daß Caligula, der bislang über keinerlei Erfahrung in den politischen Institutionen Roms verfügte, sie auf Anhieb so perfekt beherrschte? Wie kam es zu dieser offensichtlich gut durchdachten und inszenierten Selbstdarstellung als augusteischer Prinzeps? Wer waren die Personen, die ihn bei der Ausübung seiner neuen Rolle berieten?
Philo berichtet ausführlich, daß Macro,
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