Caligula - Eine Biographie
Kreis der Aristokratie. Die Frage war nun, wie sich das Verhältnis dieser Gruppe zu Macro und Silanus gestalten würde.
Eine Lösung des Problems kam schneller als erwartet. Im achten Monat seiner Regierung, also gegen Ende Oktober 37, zog sich Caligula eine schwere, lebensbedrohende Krankheit zu. Welcher Art sie war, ist nicht überliefert. Die Bevölkerung Roms zeigte starke Betroffenheit und Trauer. Große Menschenmengen sollen allnächtlich den Palatin umlagert und so ihre Anteilnahme am Schicksal des beliebten jungen Kaisers zum Ausdruck gebracht haben. Was würde geschehen, wenn er den Tod fand? Wer würde ihm nachfolgen?
Alles, was in den folgenden Wochen geschehen sollte, läßt folgenden Schluß zu: Macro und Silanus, die beiden führenden Männer, ergriffen die Initiative. Angesichts des drohenden Todes des Caligula bereiteten sie in Absprache mit einer Reihe weiterer Personen die Thronfolge des Tiberius Gemellus vor, der aufgrund der dynastischen Situation allein als Nachfolger in Frage kam. Dies war die einzig rationale, den Verhältnissen entsprechende – nur offensichtlich etwas zu früh ins Werk gesetzte – Strategie. Alle anderen Entscheidungen hätten ambitionierte aristokratische Prätendenten auf den Plan gerufen und das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzungen provoziert. DerErnstfall war damit schneller eingetreten, als man hatte vermuten können. Die Adoption des Gemellus, veranlaßt aus politischem Kalkül, war für Caligula von Anfang an eine schwere Hypothek gewesen, die spätestens dann zu Problemen geführt hätte, wenn er selbst einmal einen Sohn gehabt oder eine andere Person zum Erben hätte bestimmen wollen. Bislang aber gab es niemanden, der für eine solche Rolle hätte aufgebaut werden können. Es gab keine Alternative zu Gemellus, und dies bedeutete zugleich, daß für die Schwestern und Aemilius Lepidus bei Caligulas Tod ihre Sonderstellung und die damit verbundene Macht unwiederbringlich verlorengegangen, vielleicht auch ihre persönliche Sicherheit bedroht worden wäre.
In dieser heiklen Situation ist Caligula als eigenständig handelnder Kaiser erstmals für uns greifbar. Noch auf dem Krankenbett bestimmte er seine Lieblingsschwester Drusilla zur Erbin «des kaiserlichen Vermögens und der Herrschaft»
(bonorum atque imperii;
Suet.
Cal.
24, 1) und damit zugleich Lepidus zu seinem Nachfolger. Kaum wieder genesen, ließ er eine Tat in die Wege leiten, die brutal, aber unter den gegebenen Bedingungen folgerichtig war: die Beseitigung des Tiberius Gemellus und damit des möglichen Kristallisationspunktes einer ihm feindlichen Thronfolgerparteiung. Gemellus wurde vorgeworfen, er stelle Caligula nach, habe seinen Tod erwartet und daraus Nutzen ziehen wollen. Ein Zenturio und ein Militärtribun wurden zu ihm geschickt und zwangen ihn zum Selbstmord. Philo beschreibt anschaulich die tragische Szene vom Ende des jungen Mannes: Da er völlig unerfahren in militärischen Dingen war und auch noch keinem Selbstmord beigewohnt hatte, mußte er sich erst in die Technik der Selbstentleibung einweisen lassen. «So erhielt der Arme seine erste und letzte militärische Unterrichtsstunde und wurde zwangsweise zum Henker seiner selbst.» (Phil.
leg.
31)
Nach dem Verlust einer Thronfolgeralternative waren auch die Positionen von Macro und Silanus geschwächt. Nicht viel später, wohl Anfang des Jahres 38, erfolgte der Sturz des ersteren und seiner Frau Ennia. Die Ersetzung des Prätorianerpräfekten war zweifellos eine höchst gefährliche Angelegenheit, die gleichwohl glatt in zwei Schritten vollzogen wurde. Zunächst wurde Macro zum Präfekten von Ägypten ernannt, derzweitwichtigsten ritterlichen Stellung im Reich. An seine Stelle traten nun
zwei
Prätorianerpräfekten. Caligula folgte darin dem Vorbild des Augustus, der die für den Kaiser potentiell stets gefährliche Leitung der Leibgarde doppelt besetzt und damit Konkurrenz und gegenseitige Kontrolle institutionalisiert hatte. Auch die Auswahl der Personen scheint klug getroffen worden zu sein. Es handelte sich um bislang unbedeutende Männer, von denen nur einer, (Marcus Arrecinus) Clemens, namentlich bekannt ist und die daher dem Kaiser in besonderer Weise verbunden waren.
Bevor Macro nach Ägypten abreisen konnte, wurden er und eine größere Zahl weiterer Personen angeklagt und zum Selbstmord gezwungen bzw. hingerichtet. Gegen Macro wurden, wie Philo sich ausdrückt, «falsche, aber glaubwürdige und überzeugende Beschuldigungen»
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