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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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unbemerkt im Äther. Ich hätte bei dem Gedanken innehalten, mich wieder auf meine Rolle konzentrieren und den Grad meiner Involviertheit überprüfen sollen. Das hier war schließlich Arbeit.
    Aber ich sehnte mich danach, ihn zu berühren, mit ihm zu schlafen, den dunklen wunderschönen Kopf in meinen Händen zu halten und seinen Mund zu schmecken. Ich war sicher, dass etwas Aufregendes und Einzigartiges zwischen uns passieren würde. Ich spürte eine wachsende Aufregung und Vorfreude in mir, heiß und verlockend wie der Brandy.
    Meine letzte funktionierende Hirnzelle raffte sich auf, um mich daran zu erinnern, dass dies ein Kunde war und meine Gedanken etwas professioneller sein sollten. Aber ich hatte Zeit gehabt, passende Gegenargumente vorzubereiten. Klar, dies hier war Arbeit. Na, und? Was war dabei, wenn man Spaß an der Tätigkeit hatte, mit der man seinen Lebensunterhalt verdiente?
    Das Licht der Vernunft flackerte ein letztes Mal auf und verlosch. Der rationale Verstand meldete sich noch einmal mit schwacher Stimme zu Wort und gab auf. Er wusste, wann er verloren hatte.
    »Ich habe keine Zeit, um Frauen kennen zu lernen«, sagte Kai, um mir zu erklären, weshalb er einen Escort-Service angerufen hatte. Viele Kunden haben das Bedürfnis, einen Grund dafür zu nennen, weshalb sie für Sex zahlen müssen oder wollen. Normalerweise fand ich solche Rechtfertigungen entweder oberflächlich oder Mitleid erregend, aber als Kai mir erzählte, warum er eine Agentur eingeschaltet hatte, fand ich es nur irgendwie liebenswert.
    Als ob es irgendeine Rolle spielte, was ich von ihm hielt.
    Er redete immer noch, sprach jetzt nicht mehr von den Folgen des Zeitmangels, sondern über dessen Ursache: »Ich bin in Harvard«, erklärte er. »Ich habe zwei Hauptfächer belegt – Computerwissenschaft
und Wirtschaft. Das ist schwierig, und ich mache es nur, weil mein Aufenthalt in den Staaten begrenzt ist. Also arbeite ich eigentlich rund um die Uhr und habe einfach nicht die Zeit, um jemanden kennen zu lernen und zu umwerben.« Ein leichtes Schulterzucken. »Ich wünschte, ich könnte enger mit einer Frau zusammen sein, aber in dieser Phase ist es einfach nicht möglich.«
    Ich kaufte es ihm natürlich ab. Ich wies nicht darauf hin, dass er mit Kontaktanzeigen oder match.com besser bedient gewesen wäre als mit einem Escort-Service, wenn er tatsächlich Interesse an einer ernsthaften Beziehung hatte. So was Defätistisches sagte ich nicht. Ich wollte glauben, dass ich die Frau war, auf die er gewartet hatte.
    »Ich verstehe«, sagte ich vielmehr. Harvard gab natürlich den Ausschlag. Ich stand schon immer auf Männer mit Grips – na ja, Kompetenz ist immer geil, und die Tatsache, dass er in Harvard war, verbunden mit seinem ganz un-islamischen, überhaupt nicht machohaften Respekt für meine Ansichten, meine Person …
    Es fühlte sich ganz natürlich und gegenseitig an, als er sich zu mir umdrehte, mich sanft an sich zog und küsste. Es war ein langer, intensiver Kuss, der das Neue, den fremden Geschmack der anderen Person erforschte.
    Als wir schließlich in sein verdunkeltes Schlafzimmer gingen und uns umarmten, als wir einander auszogen, konnte man unmöglich sagen, wer von uns beiden lieber an diesem Ort war. Er war sanft und großzügig im Bett, seine langen schlanken Finger in meinem Haar, auf meinen Brüsten, an meiner Möse; und als er in mich eindrang, fühlte sich auch das ganz natürlich und richtig und einfach perfekt an.
    Er bezahlte mich diskret – ließ ganz unauffällig einen Briefumschlag in meine Hand gleiten – und küsste mich noch einmal zum Abschied an der Tür. Ich hätte schwören können, dass ich so etwas
wie Bedauern in seiner Umarmung spürte. »Wir sehen uns wieder«, flüsterte er, und die spontane Freude über seine Worte ließ kleine Schauer über meinen Rücken laufen.
    Ja, okay, man konnte es kommen sehen. Außer den Eichhörnchen, die draußen auf dem Baum vor meinem Fenster miteinander plauderten, hat es eigentlich jeder kommen sehen, und sogar die Eichhörnchen wurden mit der Zeit misstrauisch. Die einzige Person, die es nicht kommen sah, war ich.
    Ich rief Peach von meinem Handy aus an, während ich bei laufendem Motor im Auto saß und wartete, dass die dünne Eisschicht auf meiner Windschutzscheibe auftaute. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie, so wie jeden Abend.
    »Ja, klar«, sagte ich und bemühte mich um einen lockeren Ton. »Er war nett, Peach. Ich mochte ihn. Falls er mal wieder

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