Callgirl
wie alle anderen und dankbar, dass ich daran teilhaben durfte.
Ihre Callgirls hätten alles für sie getan. Darauf zählte sie.
Diese Art von Ergebenheit war unabdingbar für ihr Geschäft, und sie kann sich nur gegenüber einer weiblichen Agenturleitung entwickeln. Dazu muss man wissen, dass die Leiterin einer Callgirl-Agentur und ein Zuhälter genauso grundverschieden sind wie Callgirls und Straßenmädchen. Peach selbst hatte einen akademischen
Abschluss (in Kommunikationswissenschaft, was bei genauerer Betrachtung sehr gut passt) an einem bekannten und angesehenen College gemacht. Sie wusste mehr über klassische Literatur, als ich und (wie ich einfach mal frech unterstelle) die meisten Leser je wissen werden. Sie verschlang ein Buch nach dem anderen – Romane und Sachbücher und philosophische Werke und Gedichte. Sie gab ihre Bücher, die in dichten Reihen die Wände ihrer Wohnung füllten, mit großzügigem und skrupellosem Leichtsinn an andere Leute weiter. Sie war außergewöhnlich schön, das Gesicht von langem, welligem Haar umrahmt, und mit Augen, die alles zu verstehen schienen. Sie machte den besten Kaffee der Welt, war beim Scrabble unschlagbar und dafür berüchtigt, dass sie ständig Sachen verlor.
Die Arbeit erledigte sie von ihrer Wohnung aus, umgeben von Büchern, Cola Light und Katzen. Sie hatte ein phänomenales Gedächtnis für Zahlen, und kein Kunde brauchte sich je Sorgen darüber zu machen, dass sein Name oder andere Informationen in einem schwarzen Büchlein auftauchen könnten, denn es gab keines. Alle Informationen waren in ihrem Kopf. Die Telefonnummern von Gelegenheitskunden (von Reisenden, die im Hotel abstiegen oder von ganz neuen Kunden) kritzelte sie irgendwo an den Rand eines Buches, das sie gerade las. Sogar heute entdecke ich manchmal noch kryptische Notizen und Zahlen, die mit den Kapitelüberschriften konkurrieren, wenn ich ein Buch zur Hand nehme, das ich mal von Peach bekommen habe.
Auf die gleiche Weise merkte sie sich auch, wer gerade freihatte und wer zur Verfügung stand, wer sich vielleicht zu einem Auftrag überreden ließ, wenn ein Stammkunde anrief, oder wer einen Fahrer brauchte. Sie konnte Maße, BH-Größe, Akzent, Beruf und Vorlieben der verschiedenen Frauen herunterrattern, ohne sich je dabei zu vertun. Es erstaunte mich immer wieder. Sie wäre eine fantastische Verkäuferin gewesen.
Wenn ich’s mir recht überlege, war sie das ja auch.
Als ich damals für sie arbeitete, erhob sie eine Pauschalgebühr von 60 Dollar pro Stunde. In dieser Hinsicht gab es keine Missverständnisse: Wenn sie einem Kunden einen Preis nannte, sagte sie immer »inklusive Vermittlungsgebühr und Trinkgeld«. Ich habe keine Ahnung, ob irgendjemand wusste, wovon sie redete, und einige der Mädels wünschten, sie möge zumindest das mit dem Trinkgeld weglassen. »Wir leben nicht mehr in den Achtzigern« pflegte Peach wegwerfend (und ziemlich häufig) zu sagen. »Heutzutage gibt keiner mehr Trinkgeld.« Und sie hatte Recht: Es kam in der Tat sehr selten vor.
Sie handelte nötigenfalls einen höheren Preis aus, der bei größeren Entfernungen die Kosten für einen Fahrer mit einschloss, aber ihre eigene Gebühr blieb immer die gleiche. Eine Stunde, 60 Dollar. Zwei Stunden, 120 Dollar. Sie forderte nie einen höheren Anteil, auch nicht wenn ihr Teil der Abmachung besonders arbeitsintensiv war. Ich schätze, es wurde bei anderer Gelegenheit wieder ausgeglichen, wenn sie höchstens zwei Minuten brauchte, um ein Treffen zu arrangieren.
Natürlich tat sie weit mehr für dieses Geld, als nur Termine zu vereinbaren. Daran gemahnte ich mich, wenn ich nachts in Regen, Eisregen oder anderen Formen von unangenehmer Feuchtigkeit unterwegs war und mir vorstellte, wie Peach gerade zwischen ihren Romanen in ihrer schönen Wohnung saß und ein bisschen telefonierte. In diesen Momenten nahm ich es dann übel, dass ihr der vergleichsweise angenehme Teil der Transaktion zufiel, während ich mit dem dicken Ende zu kämpfen hatte. Aber Peach übernahm zum Beispiel die gesamte Überprüfung des Kunden, wofür man mir gar nicht genug Geld bezahlen könnte; und sie trug das Risiko der Frontfrau, die ihren Namen und ihre Telefonnummer im Phoenix veröffentlichte.
Außerdem kümmerte sie sich wirklich um die Mädchen. In dieser Hinsicht habe ich die unglaublichsten Sachen erlebt. Eines Abends war ich gerade bei Peach, als ein Anruf von einer neuen
Mitarbeiterin kam, einer achtzehnjährigen
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