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Callgirl

Callgirl

Titel: Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Angell
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Studienanfängerin, die weinend berichtete, dass ein Kunde sie beschimpft hatte. Peach wurde fuchsteufelswild und hatte den Kunden innerhalb von Sekunden am Apparat. »Das ist mir völlig schnurz«, wetterte sie. »Du hattest kein Recht, das zu sagen. Spar dir deine dummen Ausreden. Cory weint. Du bist einfach ein ganz gemeiner Kerl und hast es ausgenutzt, dass das Mädchen jung und ängstlich ist. Ich schäme mich für dich!« Sie knallte den Hörer auf die Gabel und weigerte sich wochenlang, ihm ein Callgirl zu vermitteln.
    Das war eine der Grundregeln von Peach und eines ihrer Erfolgsgeheimnisse: Wenn du eines meiner Mädels schikanierst, siehst du so schnell keines wieder.
    Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass dies für viele Stammkunden dazugehörte und einen Teil des Reizes ausmachte. Es war fast eine Art akustisches S & M, bei der Peach in der Fantasie des Kunden als »Meisterin« fungierte, die eine symbolische Peitsche schwang und ihn ausschimpfte, wenn er unartig war.
    Wenn Peach sich über einen Kunden ärgerte, legte sie einfach auf, wenn er anrief, ganz egal wie schlecht die Geschäfte liefen. Er musste sich ihre Gunst mühsam zurückerobern. Mit Zerknirschung konnte er einiges erreichen: »Bitte, Peach, es wird nie wieder passieren. Ich habe einen Fehler gemacht …« Auch Geschenke halfen: Peach hatte immer einen fast magischen Zugang zu Freikarten für Konzerte, zu kostenlosen Cocktails in trendigen Bars und Restaurants oder zu Stapeln von Chips, die aus dem Nichts auftauchten, wenn sie ins Spielkasino nach Atlantic City fuhr.
    Sie genoss das natürlich. Wer würde das nicht? Sie genoss den Prunk und die Privilegien und die Limousinen. Sie liebte das Rollenspiel, die Vergünstigungen und die Aufmerksamkeiten, die ihr zuteil wurden.

    Hier eine wahre Geschichte: Es war Thanksgiving, das erste Thanksgiving, seit ich bei Peach arbeitete. Ich hatte keine besonderen Pläne für diesen Tag, keine Verabredung, und Peach lud mich in ihre Wohnung im South End ein, wo eine kleine auserlesene Schar den Feiertag zusammen begehen wollte. Ich freute mich riesig.
    Wie es der Zufall wollte, war ich am Anfang der Thanksgiving-Woche in Louisiana zum Begräbnis einer älteren Tante, und ich rief Peach aus New Orleans an. »Soll ich noch irgendwas mitbringen?«, fragte ich automatisch, wie man es eben so macht, weil man höflich sein möchte. »Ja«, sagte Peach. »Ich brauche einen Videorekorder, meiner ist kaputt. Kannst du mir einen besorgen? Ich spiele Thanksgiving immer einen ganz bestimmten Film.«
    Ist es mir in den Sinn gekommen, etwas zu antworten wie: »Ich fahre direkt vom Flughafen zu dir, das heißt, ich muss das Gerät hier in Louisiana kaufen, könntest du nicht jemanden fragen, der nicht so weit weg ist?« Nein, natürlich nicht. Peach hatte mich um einen Gefallen gebeten, hatte mich mit einer Mission beauftragt. »Klar, kein Problem«, antwortete ich.
    Versuchen Sie mal, in der Touristenklasse mit einem Videorekorder zu fliegen. Ich war zu spät da, um ihn als Gepäck aufzugeben, und er war zu groß, um ihn unter dem Sitz oder oben in der Ablage zu verstauen. Folglich hielt ich das Ding die ganze Zeit fest umklammert auf dem Schoß, und der Start verzögerte sich, weil die Stewardessen darüber beratschlagten, was sie tun sollten. Andere Passagiere, die sehr genau mitbekamen, was (oder besser gesagt wer ) die Verspätung verursachte, warfen mir bitterböse Blicke zu. Ich kann es ihnen nicht verdenken: Ich an ihrer Stelle hätte vermutlich genauso giftig geguckt.
    Das Problem wurde schließlich dadurch gelöst, dass der Rekorder einen eigenen Sitzplatz erhielt, und wir erreichten Logan nicht sehr viel später als geplant. Es herrschte Schneegestöber,
und ein beißender Wind schlug mir ins Gesicht, als ich beladen mit Handtasche, Koffer, Bordgepäck … und Videogerät zum Taxistand stapfte. Ich hatte einen Handschuh verloren, eine klitschnasse Haarsträhne hing mir ins Auge, mein Make-up hatte sich vor Stunden verflüchtigt, und ich war alles andere als die Anmut in Person. Wenn ich in dem Moment irgendjemandem erzählt hätte, dass ich als Prostituierte arbeitete, wäre er vermutlich in hysterisches Gelächter ausgebrochen. Ich sah aus, als hätte ich das Gerät in einer besonders aggressiven Verkaufsschlacht mit Körpereinsatz erkämpft und anschließend die Flucht ergriffen. Und das Erstaunlichste war, dass es mich überhaupt nicht störte. Es war für Peach. Sie schaffte es, die

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