Calling Crystal
klarzukommen; jetzt mussten wir uns auf die Rettung der anderen konzentrieren.
»Probieren wir’s doch einfach mal. Wie kann ich es anstellen?« Ich blickte zu Xav hoch. »Beschreib noch mal genau, wie es sich anfühlt, mit mir in Verbindung zu treten, und inwieweit es sich von normaler Telepathie unterscheidet.«
Xav streichelte meine Wange. »Es war unglaublich. Ich konnte spüren, wie du in mein Bewusstsein eingedrungen bist, dermaßen elegant, dass es die reinste Freude war. Normalerweise fühlt sich Telepathie wie eine sachte Berührung an der Schulter an, so als wolle jemand auf sich aufmerksam machen – es ist quasi ein mentales Telefonat. Doch du warst eher so was wie ein Flugzeug im Landeanflug. Ich konnte dich ein paar Sekunden vorm Aufsetzen sehen – vermutlich hätte ich dich da noch abblocken können, aber warum hätte ich das tun sollen? Ich brauchte die Verbindung zwischen uns noch nicht mal aufrechtzuerhalten. Das hast alles du gemacht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe gar nichts gemacht. Ich bin nur dem gefolgt, was sowieso schon zwischen uns bestand.«
»Umso besser. Es hat also nicht wehgetan?«
»Nein, seltsamerweise ist es mir wie das Natürlichste auf der Welt vorgekommen.«
»Okay. Dann musst du versuchen, diese Vorgehensweise auf die anderen zu übertragen. Dad, irgendwelche Vorschläge?«
»Mr Benedict, wie hat der Seelensucher Ihnen geholfen?«, fragte ich.
»Nenn mich bitte beim Vornamen. Wir sind doch eine Familie.« Saul streckte sich aus und nahm meine Hand in seine, strich mit seinem rauen Daumen über meinen Handrücken. »Der Sucher war ein sehr alter Mann, der das schon lange praktizierte und seine Methode über die Jahre perfektioniert hatte. Ich war damals ja noch grün hinter den Ohren, weshalb er mich nicht in seine Geheimnisse eingeweiht hatte. Ich weiß lediglich, dass er irgendwie in meinen Geist eingedrungen war und dann die Verbindung von mir zu Karla herstellte und ihr folgte. Du musst bedenken, dass ich Karla zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte, er musste mich also auf sie ausrichten und dann meine Mentalverbindung zu ihr hinlenken.«
»Okay. Hm, das klingt mir nach ›Seelensucher für Fortgeschrittene‹. Aber eure Verbindungen stehen ja alle schon, vielleicht brauche ich also nur in euren Geist einzudringen und mich daran entlangzuhangeln.«
»Ich habe eine Idee!« Zed quetschte sich zu uns aufs Sofa. Noch ein paar mehr Benedicts um mich herum und ich würde mich wie die Salamischeibe im Sandwich fühlen. »Ich bündele ja immer die Begabungenmeiner Brüder, wenn wir an etwas Wichtigem arbeiten. Du bist bereits mit Xav verbunden, stimmt’s?«
»Und wie!«, bestätigte Xav.
»Dann versuchen wir einfach, Crystal zu dem Benedict-Familienverbund hinzuzufügen. Mithilfe von Vics Kenntnissen vom menschlichen Geist, Uriels Erfahrung, Fährten in der Zeit zurückzuverfolgen, Traces Erfahrung, Fährten über Distanzen zurückzuverfolgen, Yves allgemeiner genialer Auffassungsgabe sowie Dads und Wills Begabung, Gefahren erspüren zu können, sollten wir in der Lage sein, Crystal zu helfen, sich zurechtzufinden. Eine Art Crashkurs für Seelensucher.«
»Ohne dabei einen Crash zu verursachen«, fügte Xav hinzu.
»Das wollen wir mal hoffen«, sagte Zed und sah zum ersten Mal seit der Nachricht von der Entführung wieder etwas zuversichtlicher aus.
»Na und falls doch, versteht sich unser Xav hier ja darauf, Beulen und Zipperlein zu kurieren. Was das angeht, sind wir also schon mal auf der sicheren Seite.«
Ich wollte es versuchen, natürlich, aber das hieß nicht, dass ich mir nicht trotzdem Sorgen machte. »Was werden sie denn zu sehen kriegen, wenn ich alle an meiner Verbindung zu dir teilhaben lasse?«, fragte ich Xav.
»Wir sind sehr gut erzogen – wir werden nicht schmulen«, versprach Zed, die Hand aufs Herz gelegt und mit einem Funkeln im Blick, das mich ganz und gar nicht beruhigte.
»Keine Sorge, mein Schatz, ich werde jeden in Grundund Boden stampfen, der seine Nase in unsere Angelegenheiten steckt, okay?« Xav schubste seinen Bruder von der Sofakante herunter.
»Ich werde nichts Derartiges tun«, schwor Yves, »und Zed wird sich benehmen.«
»Natürlich wird er das.« Bei Saul klang das wie eine offizielle Verlautbarung, die keinen weiteren Zweifel zuließ. »Es steht zu viel auf dem Spiel, um herumzualbern, und das weiß Zed.«
»Was ist denn bitte passiert, dass auf einmal ich derjenige bin, an dem alle was zu motzen haben? Früher
Weitere Kostenlose Bücher