Calling Crystal
besten vorgehen soll?
Denke nicht, dass die Spur verblasst, sobald sie weiterentfernt von dir ist, sagte Uriel . Da spielt dir deine Vorstellung bloß einen Streich. Distanzen sind für Mentalpfade total bedeutungslos. Die Spur ist da.
Ich suche mir Punkte der Gewissheit als Stütze – wie Brückenpfeiler –, um sicherzugehen, dass der Pfad nicht über mir zusammenbricht, fügte Trace hinzu . Man muss fühlen und darf nicht versuchen zu sehen.
Guter Tipp. Ich versuchte, der Spur zu folgen, aber sie war nicht so eindeutig wie bei Xav. Ich spürte, dass sie wie ein loser Faden im Wind flatterte . Das fühlt sich nicht richtig an.
Was glaubst du denn, wo du dich befindest?
Ich zog mich ein Stück zurück. Berge. Kälte. West-Nord-West. Die Anstrengung machte mich schwindlig; die Spur verblasste.
Das reicht, Leute , verkündete Xav. Sie muss sich ausruhen.
Zed löste die telepathische Verbindung behutsam auf. Xav verließ meinen Geist als Letzter und ich kam, von seinen Armen umfangen, zur Ruhe.
»Tut mir leid. Ich hab den Bogen noch nicht so gut raus.« Ich fühlte mich schrecklich, dass ich ihnen noch keine vollständige Antwort geben konnte, sondern nur Fragmente.
Trace hatte den Kopf in den Händen vergraben. »Ist nicht deine Schuld, Crystal. Ich habe gespürt, was du gesehen hast. Mit Diamond stimmt ernsthaft etwas nicht. Sie ist, na ja, sie ist einfach nicht mehr da.«
»Oh mein Gott, willst du damit etwa sagen, sie ist tot?« Panik überkam mich. Ich war davon ausgegangen,dass es sich hier um eine Geiselnahme handelte, aber wenn die Contessa nun tatsächlich den Verstand verloren und alle getötet hatte?
Trace schüttelte den Kopf. »Ich glaube, nein, das würde ich wissen.« Er ballte seine Hände zu Fäusten und streckte sie wieder, sichtlich bemüht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Ich meinte, dass es da einen blinden Fleck gibt. Als wäre ein Schalter ausgedreht.«
»Das ist unmöglich«, erklärte Zed. »Nichts kann eine Seelenspiegel-Verbindung außer Kraft setzen.«
»Sicher?« Traces Augen waren von Schmerz erfüllt.
Mir kam eine hässliche Idee. »Die Contessa hat sich selbst die Eliminiererin genannt. Ich hatte gedacht, sie würde davon sprechen, dass sie Erinnerungen auslöschen kann, aber wenn sie nun etwas ganz anderes gemeint hat?«
Saul zitterte am ganzen Körper. Er sah furchtbar gealtert aus. »Wenn sie unseren Seelenspiegeln etwas angetan hat, werden wir sie trotzdem finden, auch wenn sie uns nicht mehr kennen sollten. Sobald wir sie zurückhaben, werde ich einen Weg finden, um den Schaden wiedergutzumachen, das schwöre ich. Diese Frau wird mir nicht meine Seele rauben.«
»Wir schaffen das, Dad«, versprach Will. »Mom wird nicht zulassen, dass ein böses altes Weib wie die Contessa dreißig Jahre Ehe zerstört.«
Yves erhob sich und zog die Vorhänge auf. »Dank Crystal haben wir eine Chance. Ihre Richtungsangaben reichen aus, um mit der Suche zu beginnen. Ich werdemir gleich mal eine Karte der Gegend ansehen, die sie geortet hat.« Er fuhr sein Laptop hoch und rief ein mit vielen Ortsbezeichnungen versehenes Satellitenbild auf. »Crystal, das hier habe ich von deinem Geist empfangen. Kannst du’s irgendwie eingrenzen?«
Ich ging neben ihm in die Hocke und betrachtete das Bild der Dolomiten, der alpine Teil Norditaliens.
»Ich glaube ja.« Ich tippte auf die Gegend rund um den Gardasee. »Und um darauf zu kommen, brauche ich nicht mal spezielle mentale Fähigkeiten.«
Xav zerzauste mir das Haar. »Clever. Monte Baldo. Natürlich hat sie sich in die Gegend ihrer Ahnen zurückgezogen. Wie hätte sie sonst auch geheim halten können, was sie getan hat, wenn sie nicht umgeben wäre von Leuten, die ihr loyal ergeben sind? Darauf hätten wir selbst kommen können.«
»Das wären wir letztlich auch«, sagte ich. »Aber wir standen eben erst mal alle zu sehr unter Schock.«
Victor saß bereits an seinem Computer und loggte sich in die internationale Datenbank der Strafverfolgungsbehörden ein. »Dem Kerl, den wir in London geschnappt haben, gehört laut Ermittlungsakte eine Villa in den Bergen.« Er lud ein Foto hoch. »Verdammt, das Teil sieht uneinnehmbar aus.« Die Villa glich mehr einer Burg, die zur Verteidigung auf einer Bergklippe errichtet worden war, umgeben von Befestigungsmauern mit messerscharfen Zinnen; ein schönes Postkartenmotiv, hätte sie nicht gerade als Gefängnis gedient. »Irgendwelche Vorschläge?«
»Es gibt im Grunde nur eine einzige
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