Calling Crystal
war vom Typ her nicht ganz so dunkel wie seine Brüder: haselnussbraune Augen und braune, mit rotblonden Strähnen durchzogene Haare. »Das ist total faszinierend, Crystal. Ich hätte nicht gedacht, dass es verschiedene Wege gibt, Telepathie zu benutzen, aber warum eigentlich nicht? Klingt so, als würdest du etwas Ähnliches machen wie ich. Ich kann Dinge anhand ihrer Beziehung zu Menschen und Orten in die Vergangenheit zurückverfolgen – ich sehe flüchtige Bilder, wo sie sich zu bestimmten Zeitpunkten befunden haben. Und nehme das Echo der damit verbundenen Gefühle wahr. Was du machst, ist mehr auf das Hier und Jetzt fokussiert und erscheint mir sehr viel nützlicher.«
Daran hegte ich zwar erhebliche Zweifel, aber es war trotzdem süß, dass er das zu mir sagte.
»Wenn ich’s richtig verstanden habe, heißt das also, du kannst Diamond orten, weil du emotional mit ihr verlinkt bist?« Uriel blickte zu Trace hinüber, der an der Schwelle zur Küche auf und ab tigerte.
Ich biss mir auf die Lippen. Konnte ich das? Ich hatte es noch nie ausprobiert. »Ich denke, das könnte klappen, wenn ich eine ungefähre Vorstellung hätte, wo ich mit dem Suchen anfangen soll. Allerdings habe ich trotzdem noch das Problem, dass ich von den zig Verbindungen, die zwischen uns allen bestehen, aus der mentalen Umlaufbahn geschleudert werde. Ichkriege simple Sachen hin, wie verlegte Schlüssel zu finden; das ist unkompliziert, weil die Leute meistens eine ungefähre Vorstellung haben, wo sie die Dinger liegen gelassen haben. Aber es gibt so viele Möglichkeiten, wo Diamond jetzt sein könnte, das wird echt schwierig.«
Xav massierte mir sanft die Schultern. »Ich glaube, du brauchst dafür etwas Stärkeres als euer geschwisterliches Band. Ich hatte eher daran gedacht, dass du der Seelenspiegel-Verbindung von Trace zu Diamond folgen könntest oder der von unserem Dad zu unserer Mom. Du hast unserer Verbindung ja auch problemlos folgen können, oder?«
»Ja.«
Xav gab mir einen Kuss auf den Scheitel.
Yves stellte das Laptop zur Seite und ging vor mir in die Hocke. »Dann kannst du also auch meine Verbindung zu Phoenix verfolgen.«
Zed lehnte sich von hinten übers Sofa. »Und was ist mit Sky und mir?«
Mit einem besorgniserregenden Stöhnen ließ sich Mr Benedict in einen der Sessel fallen. »Oh mein Gott.« Ihm standen Tränen in den Augen, ein ungewohnter Anblick bei diesem für gewöhnlich so beherrschten Mann.
Trace eilte zu seinem Vater hinüber. Xav schob mich ein Stück von sich herunter und erhob sich halb, um, falls erforderlich, seine Heilerbegabung zur Anwendung zu bringen. Wir alle befürchteten, dass Saul Benedict aus Kummer über das Verschwinden seiner Fraujeden Moment zusammenbrechen würde. Er nahm eine Hand hoch.
»Bitte. Mir geht’s gut, Jungs, keine Sorge.« Er kniff sich in den Nasenrücken, um die Tränen zurückzuhalten. »Ihr habt ja keine Ahnung, wie gut es mir geht.« Er lehnte sich zurück, Hände auf den Knien. »Crystal, mein Schatz, du bist ein Seelensucher.«
Xav machte es sich wieder hinter mir bequem.
»Ein was?«, fragte ich.
»Das ist deine Begabung. Sie kommt so selten vor, dass ich nur einen einzigen anderen Savant kenne, der sie besitzt, und zwar ist das der Mann, der meine Karla für mich gefunden hat. Alle hundert Jahre werden höchstens ein oder zwei Seelensucher geboren. Warum ist deine Fähigkeit bisher noch niemandem aufgefallen?«
Ich zuckte mit den Achseln, aber es gelang mir nicht wirklich, meine Fassungslosigkeit mit Nonchalance zu überspielen. »Vermutlich habe ich dafür einfach nicht die richtigen Anzeichen erkennen lassen, bis ich dann letzte Nacht dazu gezwungen war.«
»Aber du kommst aus einer Savant-Familie. Sie hätten deine Gabe erkennen müssen, damit du denjenigen von uns ohne Seelenspiegel bei der Suche nach ihrem Gegenstück helfen kannst. Ihre Ignoranz deiner Begabung gegenüber grenzt ja schon an ein Verbrechen!«
Victor klappte die Kinnlade runter – zum ersten Mal sah ich den abgeklärtesten der Benedict-Brüder total verdattert. »Du meinst, sie kann meinen Seelenspiegel finden? Und den von Will und Uriel?«
»Ja, das kann sie. Aber jetzt kann sie erst mal die Mädchen für uns finden, und damit rechnet die Contessa nicht.«
Mir schwirrte der Kopf. An ein und demselben Tag auf meinen Seelenspiegel zu treffen und zu erfahren, dass ich eine einzigartige Gabe besaß, war zu viel für mich. Aber ich hatte noch mein ganzes Leben lang Zeit, damit
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