Camel Club 01 - Die Wächter
Verteidigung besteht. Letzteres ist durchaus verständlich, weil seit den Kreuzzügen gewisse ›zivilisierte‹ Kulturen sich stets bemüht haben, die Moslems zu ihrem Glauben zu bekehren, erst mit dem Schwert, dann mit Kanonen. Aber auch im Hadith heißt es, dass sogar im Dschihad unschuldige Frauen und Kinder verschont bleiben müssen.«
»Als ob unter Ihresgleichen jemand unschuldig wäre!«, schnauzte al-Omari. »Der Islam muss gegen alle kämpfen, die ihn knechten wollen.«
»Der Islam repräsentiert ein Fünftel der Menschheit, und die überwiegende Mehrheit Ihrer Glaubensbrüder ist von der Richtigkeit des freien Wortes, der freien Presse und der Gleichheit vor dem Gesetz überzeugt. Und mehr als die Hälfte aller Moslems der Welt hat demokratisch gewählte Regierungen. Ich weiß, dass Sie in einem Madrasa in Afghanistan ausgebildet worden sind, sodass Ihre Kenntnis des Koran sich auf eine verzerrte Auswahl beschränkt; daher sehe ich Ihnen Ihr Unwissen nach.« Gray schwieg dazu, dass al-Omaris Training im Madrasa mit Sicherheit auch den Umgang mit automatischen Waffen und eine Unterweisung im Heiligen Krieg eingeschlossen hatte. Aus diesem Grund standen diese Trainingszentren in dem zweifelhaften Ruf, islamische Versionen der Militärakademie West Point zu sein. »Sie hatten den Ehrgeiz, Schahid zu werden«, führte Gray seine Darlegungen fort, »aber weder den Mut noch den Glaubenseifer, um sich als Selbstmordattentäter zu melden. Ebenso fehlt es Ihnen an Rückgrat und Entschlossenheit, um Mudschahed zu sein.«
»Sie werden schon noch sehen, ob ich genug Mumm habe, um für den Islam zu sterben.«
»Sie umzubringen hat für mich keinen Nutzen. Ich will, dass Sie für mich arbeiten.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
»Wir können es auf die sanfte oder harte Tour machen«, sagte Gray und sah auf die Uhr. Inzwischen war er seit dreißig Stunden auf den Beinen. »Und es gibt viele Wege ins Janna.«
Wieder beugte al-Omari sich vor. »Ich bestimme meinen Weg ins Paradies selbst«, höhnte er.
»Sie haben in England Frau und Kinder«, sagte Gray.
Al-Omari verschränkte die Arme auf dem Brustkorb und setzte eine ausdruckslose Miene auf. »Abschaum wie Sie werden im nächsten Leben unsere Diener sein.«
»Einen Sohn und eine Tochter.« Gray tat so, als hätte er die Äußerung nicht gehört. »Mir ist klar, dass Frauenschicksale Sie nicht sonderlich kümmern. Aber was den Jungen betrifft…«
»Mein Sohn wird gern sterben, wenn…«
Mit fester Stimme unterbrach Gray den Mann. »Ich habe nicht vor, Ihren Sohn zu töten. Ich habe andere Pläne mit ihm. Er ist doch gerade erst achtzehn Monate alt geworden?«
In al-Omaris Miene spiegelte sich ein Anflug von Besorgnis. »Woher wissen Sie das?«
»Und es ist Ihr Wunsch, den Jungen im moslemischen Glauben zu erziehen?«
Al-Omari gab keine Antwort, starrte nur in die Kamera.
»Wenn Sie sich weigern, für uns zu arbeiten«, fuhr Gray fort, »nehme ich Ihren Sohn seiner Mutter weg. Ein liebevolles Ehepaar wird ihn adoptieren und wie ein eigenes Kind aufziehen.« Er legte eine kurze Kunstpause ein, damit seine nächsten Worte umso mehr Nachdruck erhielten. »Dann wird er in Amerika von Amerikanern im christlichen Glauben erzogen. Sie haben es selbst in der Hand.«
Al-Omari verlor die Fassung, sprang auf und taumelte auf die Kamera zu, bis Fäuste ihn packten und zurück auf den Stuhl zerrten. Seine weiteren Antworten schrie er auf Arabisch, doch Gray verstand sie deutlich genug. Al-Omari geriet so sehr außer Kontrolle, dass er an den Stuhl gefesselt werden musste. Da er unentwegt Drohungen ausstieß, brachte man ihn schließlich mit Klebeband zum Schweigen. Gray schob die Akte des Gefangenen zur Seite. »Im Laufe der letzten Jahre sind durch Menschen wie Sie siebentausendachthundertsechzehn Amerikaner ums Leben gekommen. Alle diese Todesfälle sind auf amerikanischem Boden herbeigeführt worden. Rechnen wir die Anschläge in Übersee mit, ergeben sich fast zehntausend Tote. Manche der Opfer waren Kinder, die damit der Möglichkeit beraubt wurden, sich überhaupt einer Religion zuzuwenden. Ich gewähre Ihnen eine Frist von vierundzwanzig Stunden, um sich zu entscheiden. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, dürfen Sie und Ihre Familie in Wohlstand leben. Wenn Sie jedoch ablehnen…« Gray nickte dem Mann zu, der neben ihm saß, und der Bildschirm wurde dunkel.
Gray betrachtete die sechs anderen Dossiers, die vor ihm lagen. Vier betrafen Personen aus dem Nahen
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