Camel Club 01 - Die Wächter
erneut in den einzigen Kampf stürzen, den er als lohnenswert erachtete.
KAPITEL 7
Alex Fords nächtlicher Spaziergang führte ihn nach Osten, und bald gelangte er auf bekanntes Territorium: 1600 Pennsylvania Avenue. Die Gegend zwischen dem Weißen Haus und dem Lafayette Park war von Ulmen und versenkbaren Pollern gesäumt, dazwischen garniert mit Wachhäuschen, die man getarnt hatte, damit sie nicht auffielen wie Zuchthaus-Wachtürme. Doch das Hauptanliegen war und blieb Sicherheit, egal wie viel neue Bäume und hübsche Blümchen man pflanzte.
»He, Alex«, rief ein Mann, der gerade durch das Tor der Vorderseiten-Wache auf die Straße kam.
»Hallo, Bobby. Feierabend?«
Bobby schmunzelte. »Siehst du vielleicht ’nen Ohrhörer aus meinem Arsch baumeln? Ich geh nach Hause zu meiner Liebsten und den Kleinen, falls sie nicht weggezogen sind und vergessen haben, es mir zu sagen. Unmöglich wär’s nicht, ich bin ja nie da. Und wieso bist du wieder hier?«
Alex zuckte die Achseln. »Na ja, wenn man erst einmal im Präsidentenschutz arbeitet, kann man sich schwer davon trennen.«
»Genau. Ich warte auf die Zeit, in der ich meine Familie häufiger als einmal im Jahr sehe.«
»Bist du im Begleiterteam der Wahlkampftour?«
Bobby nickte. »Übermorgen geht’s los, um zwischen Iowa und Mississippi noch mehr Hände zu schütteln und Reden zu halten. Wegen des Wahlkampfrummels sind wir knapp an Personal und mussten WFO-Mitarbeiter heranziehen, um genug Leute für den Präsidenten und die VIP-Familien zu haben.«
»Hab ich mitgekriegt. Im Büro war’s heute ziemlich leer.«
»Brennan hat heute Abend Parteispenden eingesackt. Kusshändchen gegen Dollars. Zum Glück durfte ich hier bleiben.«
»Ja, da kannst du von Glück reden.«
Bobby lachte. »Ich weiß nicht, ob du ’s schon gehört hast, aber in Pennsylvania hat sich der Heimatort des Präsidenten in Brennan umbenannt. Während der Wahlkampfreise wird er dort antanzen und an der Umbenennungsfeier teilnehmen. So eine Bauchpinselei…« Bobby rückte näher und senkte die Stimme. »Brennan ist kein schlechter Kerl, ich hab ihn ja auch gewählt. Trotzdem, er ist gerissen. Was er so alles nebenbei treibt…«
»Da ist er nicht der Erste.«
»Wenn Lieschen Müller wüsste, was wir wissen, hm?«
Während Alex sich entfernte, lenkte er den Blick hinüber zum Lafayette Park, wo noch die restlichen »Weißes-Haus-Dauerprotestler« campierten (so lautete Alex’ und anderer Secret-Service-Agenten höfliche Bezeichnung für diesen Personenkreis). Die Protestschilder, die Zelte und die abstrus aussehenden Typen hatten Alex schon immer fasziniert. Früher waren es erheblich mehr gewesen, und überall waren aufwändige Schilder und Spruchbänder zu sehen. Doch schon vor dem 11. September hatte man für eine gewisse Eindämmung gesorgt, und die spätere Umgestaltung des Areals vor dem Weißen Haus hatte einen guten Vorwand geliefert, um noch nachdrücklicher mit den Dauerdemonstranten aufzuräumen. Doch selbst die Machtlosen hatten in Amerika Rechte. Einige hatten Kontakte zur US-Bürgerrechtsunion geknüpft und vor Gericht auf Rückkehrgenehmigung geklagt, und tatsächlich hatte der Oberste Gerichtshof zu ihren Gunsten entschieden. Letzten Endes hatten aber nur zwei Demonstranten sich wieder eingefunden.
Während seiner Dienstzeit im Weißen Haus hatte Alex einige von diesen Leuten kennen gelernt. Die Mehrheit war eindeutig verhaltensgestört; deshalb behielt der Secret Service sie unter intensiver Observation. Alex erinnerte sich an einen Burschen, der ausschließlich mit Schlipsen bekleidet gewesen war, die er sich um die wichtigsten Körperstellen gewickelt hatte. Aber nicht alle Demonstranten waren reif für die Dachklempnerei, auch nicht der Mann, den Alex nun aufzusuchen beabsichtigte.
Vor einem Zelt blieb er stehen. »Oliver?«, rief er. »Alex Ford. Sind Sie da?«
»Oliver nix da«, sagte eine Frauenstimme mit abfälligem Beiklang.
Alex schaute der Frau entgegen, die mit einem Pappbecher Kaffee in der Hand zu ihm geschlurft kam. »Wie läuft’s denn so, Adelphia?«
»In ganze Land unmoralische Ärzte tun morden Kinder, so läuft’s!«
Mangel an leidenschaftlichem Engagement konnte man der Frau nicht vorwerfen. Vielleicht übertrieb Adelphia es ein bisschen mit ihrem Eifer, doch Alex respektierte, dass sie immerhin Engagement aufbrachte.
»Ja, das hört man immer wieder.« Er schwieg einen Moment. »Äh… wo steckt Oliver?«
»Sag doch, nicht da.
Weitere Kostenlose Bücher