Camel Club 01 - Die Wächter
Attacke einer im Jemen gesponnenen, seitens eines hohen Angehörigen der saudischen Königsfamilie angezettelten Kabale auf den Euro und den Yen zu ergehen. »Ich stufe diese Fakten als wesentlich für die nahende globale Apokalypse ein«, lautete seine Zusammenfassung, »die sich unzweifelhaft am Horizont abzeichnet.«
Die anderen Mitglieder des Camel Clubs saßen zuerst stumm da, schier überwältigt von Miltons Ausführungen. Das war eine ganz normale Reaktion, wenn er eine seiner verschlungenen Abhandlungen gehalten hatte.
»Weißt du, dieses Komplott zwischen Nordkorea und Großbritannien ist vielleicht ein bisschen weit hergeholt, oder was, Milton?«, gab Reuben schließlich zu bedenken. »Ich meine, die verdammten Nordkoreaner sind doch völlig humorlos, während die Briten, egal was man sonst über sie denkt, immerhin für ihren schwarzen Humor bekannt sind.«
Stone heftete den Blick auf Caleb. »Gibt’s bei dir interessante Neuigkeiten?«
Caleb überlegte einen Moment. »Es gab ziemliche Aufregung, weil unsere Flämische Bibel vermisst wurde.« Erwartungsvoll musterten ihn die anderen. »Unsere Flämische Bibel«, wiederholte Caleb. »Mit den handkolorierten Illustrationen von Romeyn de Hooghe, der als bedeutendster flämischer Illustrator des späten siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhunderts gilt. Aber es war ein Fehlalarm. Die Bibel war die ganze Zeit da, nur falsch einsortiert.«
»Gott sei Dank«, bemerkte Reuben spöttisch. »Wir wollen keinesfalls einen Flamen auf der Flucht erleben.«
Enttäuscht wandte Stone sich an Reuben. »Hast du außer deinem brünstigen Kongressmann auch etwas Interessantes vorzuweisen?«
Reuben hob die Schultern. »Ich bin zu lange aus der Szene raus, Oliver. Man wird von den Menschen vergessen.«
»Warum befassen wir uns dann nicht mit etwas Konkreterem?« Neugierig sahen die anderen Männer ihn an. Stone holte tief Atem. So viele Geburtstage waren ungefeiert verstrichen, dass er tatsächlich erst nachdenken musste, ehe er sich auf das eigene Alter besann. Einundsechzig, errechnete er. Ich bin einundsechzig Jahre alt. Vor langer Zeit hatte er den Camel Club zu dem Zweck gegründet, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf deren Treiben zu lenken, sobald die Machtelite krumme Dinger drehte – und das kam öfters vor. Seitdem blieb Stone vor der 1600 Pennsylvania Avenue auf Posten, schrieb seine Beobachtungen auf, trat für Werte ein, die andere Leute anscheinend nicht mehr als wichtig erachteten – Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zum Beispiel. Allmählich aber fragte er sich, ob der ganze Aufwand lohnte. »Ist euch aufgefallen, was in diesem Land vor sich geht?«, fragte er und blickte in die Runde seiner Freunde. »Man hat uns weisgemacht, dass wir jetzt besseren Schutz genießen. Dass wir sicherer leben, bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass wir freier sind.«
»Manchmal muss die Freiheit hinter die Sicherheit zurücktreten, Oliver«, argumentierte Caleb, der mit seiner schweren Taschenuhr spielte. »Nicht dass es mir gefällt, aber was wäre die Alternative?«
»Die Alternative wäre«, antwortete Stone, »nicht in Furcht zu leben. Vor allem nicht in Furcht, die auf Übertreibungen beruht. Männer wie Carter Gray kennen sich mit solchen Manipulationen glänzend aus.«
»Nach Grays erstem Jahr im Amt hätte man nicht gedacht, dass er sich überhaupt mit irgendwas auskennt«, sagte Reuben mürrisch. »Aber irgendwie hat er dann doch die Kurve gekriegt.«
»Ich sehe dadurch meine Ansicht bestätigt«, entgegnete Stone, »weil ich glaube, dass niemand so tüchtig ist oder so viel Glück hat.« Kurz schwieg er; dann wählte er seine nächsten Worte mit Bedacht. »Nach meiner Auffassung schadet Carter Gray der Zukunft dieses Landes. Ich schlage vor, dass die Mitgliederversammlung neue Optionen diskutiert.«
Seine drei Kumpel starrten ihn begriffsstutzig an. Schließlich meldete Caleb sich zu Wort. »Äh… Was genau meinst du eigentlich, Oliver?«
»Was kann der Camel Club tun, dass Carter Gray seines Amtes als oberster Geheimdienstchef enthoben wird?«
»Du willst, dass wir Carter Gray stürzen?«, rief Caleb.
»Jawohl.«
»Na, da bin ich ja beruhigt«, spöttelte Reuben mit vorgetäuschter Erleichterung. »Ich hatte schon Bammel, wir wollten uns eine schwierige Aufgabe stellen.«
»Es gibt genügend historische Präzedenzfälle«, stellte Stone fest, »in denen die Schwachen die Starken überwunden
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