Camel Club 01 - Die Wächter
Vertrautheit mit Sprache und Kultur, eine Operation so gewaltigen Maßstabs niemals allein in die Wege leiten können. Selbst wenn er an einem gewissen Idealismus litt, war er unerbittlicher Realist, was die Frage betraf, wie sein Plan sich am besten erfolgreich verwirklichen ließ.
Oft wünschte er sich, er könne seinen Vater um Rat fragen. Aber er wusste, was Franklin Hemingway sagen würde: Es ist falsch. Lass es sein.
Doch sein Sohn hatte nicht die Absicht.
Was war denn nun seine wahre Motivation? Hemingway hatte sich diese Frage während der Planungsphase häufig gestellt. Bisweilen waren ihm ganz unterschiedliche Antworten eingefallen. Schließlich aber war er zu dem Schluss gelangt, dass er es weder für das Vaterland tat noch für den Nahen Osten, sondern für den ganzen Planeten, der zusehends seine letzten Chancen vergab. Und vielleicht tat er es auch als Tribut an seinen Vater, der ein Mann des Friedens gewesen war, doch einen gewaltsamen Tod hatte sterben müssen.
Vielleicht verhielt es sich so einfach – und so kompliziert.
KAPITEL 14
Patrick Johnsons Leiche wurde am nächsten Morgen von Fünftklässlern und ihren Lehrern gefunden, die aus einer Grundschule in Maryland angereist waren und gern etwas über Teddy Roosevelt erfahren wollten. Unglücklicherweise entdeckten sie weit mehr, als sie sich vorgestellt hatten.
Später am Morgen ratterte Alex Ford im Dienstwagen, einem klapprigen Crown Vic, zur Arbeit und beschäftigte sich in Gedanken schon mit seinen heutigen Aufgaben. Der Dienst im Washingtoner Büro des Secret Service bot allemal abwechslungsreiche Tätigkeit. Der Chef des Büros, der LSA oder Leitende Spezialagent, hegte die Überzeugung, dass Agenten, die im Secret Service Erfahrungen mit einem breiten Spektrum dienstlicher Betätigungen sammelten, bessere Mitarbeiter abgaben. Im Prinzip stimmte Alex dem zu. In dieser Woche hatte er bereits in mehreren laufenden Fällen Observationen betrieben, hatte ein paar Stunden Gefangenentransport abgesessen sowie im Umfeld ausländischer Würdenträger, die Washington besuchten, Wache gestanden und war einmal der Torwache zugeteilt worden, der Gate Caller Squad, GCS, die das Washingtoner Büro des Secret Service rund um die Uhr aufrechterhielt.
Die GCS griff immer dann ein, wenn irgendwer vor dem Weißen Haus aufkreuzte, ans Tor klopfte und den Präsidenten zu sprechen verlangte, ohne einen Termin zu haben – ein Anspruchsdenken, das sich häufiger zeigte, als die meisten Menschen es sich vorstellen konnten. Ein Irrer tanzte alle sechs Monate an und teilte den Torwächtern mit, hier wäre »sein Haus« und sie wären Eindringlinge. Wie der Secret Service beobachtet hatte, häuften sich solche Aktivitäten bei Vollmond. Ein derartiger Störenfried handelte sich durch sein abwegiges Verhalten einen Hausbesuch von Secret-Service-Agenten ein, ferner eine Vorführung beim Seelenklempner und möglicherweise einen Aufenthalt im Knast oder in der Klapse St. Elizabeth, je nachdem, für wie derangiert die Agenten den Betroffenen einstuften.
Alex parkte seinen Wagen, betrat das WFO, nickte im Foyer einer breithüftigen Wächterin zu, steckte am Lift seine Ausweiskarte in den Schlitz der Prüfelektronik und fuhr ins vierte Stockwerk, in dem die Metro Area Task Force ihr Büro hatte, für die Alex – wie etliche WFO-Veteranen – einen Teil seiner Arbeit verrichtete. Die Task Force kooperierte in Fällen von Währungs- und Finanzvergehen eng mit den Landespolizeibehörden in Virginia und Maryland. So weit, so gut. Schlecht daran war jedoch, dass die Task Force viel mehr Arbeit hatte, als sie eigentlich bewältigen konnte, weil die Kriminellen emsige Umtriebe an den Tag legten.
Die Räume des Secret Service nahmen in dem Gebäude drei Etagen ein. Im Großraumbüro des vierten Stockwerks suchte Alex seinen durch keinerlei Trennwände separierten Arbeitsplatz auf; dort fand er eine E-Mail von Jerry Sykes vor, dem Bürovorsteher des Leitenden Spezialagenten, in der er las, dass er sich nach Arbeitsantritt sofort im sechsten Stock melden sollte.
Alex empfand diese Nachricht als ziemlich ungewöhnlich. Hatte er unwissentlich gegen irgendwelche staatsbürgerlichen Grundrechte verstoßen, als er in der vergangenen Nacht an dem Geldautomaten die beiden Gauner festnahm?
Alex fuhr mit dem Lift ins sechste Stockwerk, durchmaß den Korridor und nickte unterwegs Bekannten und Kollegen zu. Er passierte das an einer Wand befestigte Schwarze Brett mit dem
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