Camel Club 01 - Die Wächter
entfernt. Die in den umliegenden Wäldern außerordentlich gut versteckte Anlage hatte im CIA-Jargon »Area 51A« geheißen, ein Beweis dafür, dass man in der Organisation einen gewissen Sinn für Humor pflegte. Inoffiziell war die Einrichtung weniger humorvoll »Knochenmühle« genannt worden.
Weil die Knochenmühle seit langem nicht mehr betrieben wurde, hatte der NIC sich vor einiger Zeit dafür eingesetzt, die Einrichtung als Verhörzentrum für Terrorismusverdächtige zu verwenden. Dummerweise hatte das Justizministerium Wind davon bekommen, und dadurch war das Verfahren in beachtlichem Umfang verschleppt worden. Und dank der kumulativen Negativwirkung des Gefangenenlagers Guantanamo in Kuba, der schändlichen Umtriebe im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak und des Fiaskos im Vernehmungszentrum Salt Pit bei Kabul in Afghanistan standen die Pläne zur Wiedereröffnung der Area 51A am Rande des Scheiterns.
Das alles aber machte Gray kein Kopfzerbrechen. Es gab viele Örtlichkeiten außer Landes, die denselben Zweck erfüllten. Nach internationalem und ebenso nach amerikanischem Recht war das Foltern Gefangener gesetzeswidrig. Vor mehreren Ausschüssen, die sich mit der Frage nach der Gesetzestreue der Geheimdienstorganisationen beschäftigten, hatte Gray falsch ausgesagt, hatte buchstäblich mit jedem seiner Worte den Kongress belogen. Aber glaubten diese hohen, redlichen Politiker, die kein Wörtchen Arabisch beherrschten und ohne Nachhilfe seitens ihrer Sekretäre nicht einmal die Hauptstadt des Oman oder Turkmenistans nennen konnten – glaubten diese Leute wirklich, es ginge auf der Welt nach solchen Regeln zu?
Das geheimdienstliche Treiben war ein schmutziges Geschäft, in dem ständig Menschen logen und starben. Die Tatsache, dass der US-Präsident erst darüber nachdenken musste, ob er die Liquidierung bestimmter – auch gewählter – Politiker eines fremden Landes absegnen sollte, verdeutlichte genug, wie kompliziert sich die Weltpolitik heutzutage gestaltete.
Gray kehrte in sein Büro zurück. Er wollte sich noch einmal mit all diesen »Toten« beschäftigen, die in seiner Zukunft möglicherweise noch größere Bedeutung haben sollten. Gott gnade Amerika, falls es so kam.
KAPITEL 32
Als er wieder im WFO saß, schickte Alex per E-Mail einen aktualisierten Bericht an Jerry Sykes. Im Gegensatz zum ersten Bericht traf diesmal sehr schnell eine Reaktion ein. Der Anruf, den er erhielt, beorderte ihn nicht etwa nur in Jerry Sykes’ Büro oder das Büro des LSA. Stattdessen sollte er sich ohne Verzug im Secret-Service-Hauptquartier melden und bei keinem Geringeren als dessen Direktor persönlich antanzen.
Darin erblickte Alex kein gutes Vorzeichen. Das HQ lag nahe genug am WFO, dass man zu Fuß gehen konnte, und das tat Alex denn auch. Der zeitweilige Aufenthalt an der frischen Luft ermöglichte es ihm, ein weiteres Mal über seine Zukunft nach dem Ausscheiden aus dem Dienst nachzudenken, das nun schneller als vermutet erfolgen mochte – drei volle Jahre früher.
Einige Male war er dem derzeitigen Direktor schon begegnet, allerdings nur bei informellen Anlässen, bei denen sie ein paar Augenblicke lang einige Worte geplaudert hatten. Jetzt hatte Alex im Urin, dass das bevorstehende Wiedersehen weniger kumpelhaft ablaufen sollte.
Wenige Minuten später betrat er das geräumige Büro des Direktors. Auch Jerry Sykes war da und versuchte offenbar, zwischen den Polstern der Couch zu versinken, auf der er kauerte. Zu Alex’ großer Überraschung saß Jackie Simpson an Sykes’ Seite.
»Schließen Sie bitte die Tür, Ford?«, rief Wayne Martin, der Direktor des Secret Service, ihm zur Begrüßung zu. Die Tür schließen – das war eindeutig ein schlechtes Zeichen. Alex tat wie geheißen, nahm Platz und wartete darauf, dass Martin das Wort ergriff. Martin war ein hoch aufgeschossener Mann, der gestreifte Hemden und große Manschettenknöpfe bevorzugte. Er hatte zu den Agenten gehört, die John Hinckley nach dem Mordanschlag auf Ronald Reagan überwältigt hatten. Er hatte sich von der Pike aus bis ganz an die Spitze hochgearbeitet. Martin las in einer Akte, die vor ihm lag. Alex spähte hinüber und meinte seine Personalakte zu erkennen. Also stand es wirklich sehr schlecht. Schließlich klappte Martin die Akte zu und hockte sich auf die Schreibtischkante. »Agent Ford, ich komme ohne Umschweife zur Sache. Ich habe heute nämlich noch mehr zu tun, ob Sie ’s glauben oder nicht.«
»Ja, Sir«, sagte Alex
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