Camel Club 01 - Die Wächter
Zukunftsperspektiven bewusst geworden, an die sie bis dahin gar nicht gedacht hatte.
Achmed hatte auch Gedichte geschrieben und den bescheidenen Traum gehegt, sein Verse einmal gedruckt zu sehen. Seine Gedichte waren von einer Tragik erfüllt, an der Djamila erkannte, dass sie Jahren der Gewalt und des Leids entsprungen waren. »Wenn man bis auf das eigene Leben alles verloren hat«, war eine seiner letzten Äußerungen zu Djamila gewesen, »wird das Leben deshalb nicht wertvoller, nur die Opferung des Lebens erhält dadurch mehr Gewicht. Das Leben kann keinem höheren Zweck dienen, als für Gott zu sterben.«
Achmed hatte häufig über seinen bevorstehenden Tod gesprochen und in seinem Tagebuch bereits den Tag und die Stunde festgelegt, wann er für Gott zu sterben beabsichtigte. Doch er hatte Djamila das gewählte Datum nicht genannt. Deshalb wusste sie nicht, ob Achmed sich seinen Wunsch inzwischen erfüllt hatte oder ob sein Opfergang noch ausstand. Sie wusste nicht einmal, wohin man ihn geschickt hatte. Beim Zeitungslesen achtete sie stets auf seinen Namen oder sein Bild, um vielleicht auf diese Weise von seinem Tod zu erfahren, hatte aber nie etwas entdeckt.
Manchmal stellte Djamila sich vor, dass Achmed im Paradies zu ihr fand und sie beide in ewigem Frieden zusammen sein durften. Es war einer der wenigen Gedanken, die noch ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern vermochten.
Ja, sie würde Achmed gern wiedersehen, sehr gern. Ob im Leben oder im Tod war ihr einerlei.
KAPITEL 34
Stone kehrte in sein Friedhofswärterhäuschen zurück, machte sich sauber, legte sich Eis aufs Gesicht und ruhte, während die Schwellung nachließ. Dann rief er mit dem geliehenen Handy Reuben und Caleb an. Milton konnte er nicht erreichen.
Anschließend arbeitete er auf dem Friedhof und half Besuchern, ein bestimmtes Grab ausfindig zu machen. Vor vielen Jahren hatte die Gemeinde noch ein Gräberverzeichnis geführt, doch war diese Liste inzwischen verloren gegangen. Im Lauf der letzten beiden Jahre hatte Stone sich jeden Grabstein und verschiedene hilfreiche Dokumente angesehen, sodass es ihm gelungen war, ein zuverlässiges neues Verzeichnis zu erstellen. Überdies hatte er sich mit der Entstehung des Friedhofs beschäftigt und betätigte sich als inoffizieller Fremdenführer, der Touristengruppen die Geschichte des Friedhofs Mount Zion erzählte.
Als er den Besuchern geholfen hatte und sich wieder an die Pflege der Anlagen machte, brannte ihm das Gesicht. Allerdings nicht infolge der Verletzung, sondern aus Scham über seine Dummheit. Sein Verhalten war umso blödsinniger gewesen, als er es ausgerechnet vor Adelphia an den Tag gelegt hatte. Ihm war, als spürte er jetzt noch den Messergriff in der Hand. Wie dumm von mir.
Später beschloss er, mit der U-Bahn zu Milton zu fahren, um sich zu erkundigen, ob der sich inzwischen in den Zentralcomputer des Zulassungsamtes eingehackt und den Halter des ausgespähten Wagens ermittelt hatte. Außerdem wollte Stone sich davon überzeugen, dass Milton wohlauf war; denn die Leute, mit denen sie es zu tun hatten, konnten mit Computern fast so gut umgehen wie Milton, wenn es um Fingerabdrücke ging.
Auf dem Weg zur U-Bahn-Station Foggy Bottom hörte Stone plötzlich eine Hupe hinter sich und drehte sich um. Agent Ford lenkte seinen Crown Vic an den Straßenrand und ließ das Seitenfenster herunter.
»Kann ich Sie mitnehmen?« Dann sah er Stones Verletzungen. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Ich bin gestürzt.«
»Geht’s einigermaßen?«
»Mein Ego hat stärker gelitten als mein Gesicht.« Stone stieg ins Auto, und Ford fuhr weiter. »Ich denke gerade an unsere gestrige Unterhaltung«, sagte Stone nach einer für sein Empfinden angemessenen Frist des Abwartens. »Wie kommen Sie mit den Ermittlungen voran?«
»So gut, dass ich wieder zum Personenschutz versetzt worden bin.«
»Agent Ford…«
»Wissen Sie, Oliver, nach so vielen Jahren sollten Sie mich vielleicht Alex nennen.«
»Ich hoffe, meine Ratschläge haben Ihnen keine Schwierigkeiten eingebrockt, Alex.«
»Ich bin alt genug. Und Sie haben recht gehabt. Nur wusste ich nicht über sämtliche Fakten Bescheid, und dafür muss ich nun büßen.«
»Welche Fakten?«
»Darüber muss ich leider schweigen. Wo wollen Sie eigentlich hin?«
Stone nannte ihm die Anschrift. »Ich treffe mich dort mit ein paar Freunden«, fügte er hinzu.
»Hoffentlich sind es Leute von Rang und Namen. Davon kann man nie genug
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