Camel Club 02 - Die Sammler
Gesülze hatte. Er interessierte sich längst nicht mehr für sein Heimatland; so wenig wie für irgendein anderes Land. Er kümmerte sich nur noch um sich selbst, den Einmann-Freistaat Roger Seagraves, und das mit großem Erfolg, denn er besaß die nötigen Fähigkeiten, den Schneid und den Zugang zu Wissen von enormem Wert. »Tja, wenn wir mit allem durch sind, mach ich mich auf die Socken. Um diese Tageszeit ist mit Staus zu rechnen.«
Trent tippte auf die Kladde. »Damit muss man immer rechnen.«
Mit einem Blick streifte Seagraves die Kladde, die er Trent ausgehändigt hatte; dann nahm er den Schnellhefter, den sein Kumpan ihm zuschob. Darin befanden sich Rückfragen, die zusätzliche Informationen zu gewissen Observationspraktiken der CIA betrafen. In der dicken Kladde gab es nichts Aufregenderes zu lesen als eine der beispiellos langweiligen, übermäßig komplizierten Analysen, die seine Behörde dem Geheimdienstausschuss routinemäßig vorlegte. Diese Berichte waren Meisterwerke der Kunst, mit einer Million Wörtern rein gar nichts zu sagen.
Doch wenn man den Code kannte und die Möglichkeit hatte, buchstäblich zwischen den Zeilen zu lesen – und das würde Trent noch am heutigen Abend tun, wie Seagraves wusste –, offenbarten die Seiten der Kladde noch etwas anderes: die Namen von vier sehr aktiven amerikanischen Undercoveragenten und ihre gegenwärtigen überseeischen Aufenthaltsorte in verschlüsselter Form. Diese Namen und Anschriften waren schon an finanziell bestens ausgestattete Terror-Organisationen verkauft worden, die nun in drei Ländern des Nahen Ostens und Asiens den Agenten die Türen eintreten und ihnen den Kopf abreißen würden. Zwei Millionen US-Dollar pro Namen waren inzwischen auf ein Konto überwiesen worden, das kein amerikanischer Steuerprüfer jemals zu sehen bekam. Trent fiel die Aufgabe zu, die Namen längs der Nahrungskette nach unten weiterzureichen.
Seagraves’ Geschäft boomte. Während Amerikas Feinde weltweit an Zahl zunahmen, verkaufte er Geheimnisse an moslemische Terroristen, südamerikanische Kommunisten, asiatische Diktatoren und sogar an Mitglieder der Europäischen Union.
»Tolle Lektüre«, sagte Trent. Er bezog sich mit dieser Bemerkung auf den Schnellhefter, den er Seagraves hingeschoben hatte. Dem darin enthaltenen Text konnte Seagraves die verschlüsselte Identität des neuen »Gewitters« sowie das dazugehörige Warum und Wieso entnehmen.
Am späteren Abend sah Seagraves sich daheim den Namen an und machte sich in seiner gewohnt systematischen Art und Weise daran, die Liquidierung des »Gewitters« zu planen. Allerdings musste in diesem Fall sehr viel feinsinniger vorgegangen werden als mit einem Scharfschützengewehr. Zum Glück hatte Trent erstklassige Arbeit geleistet und über die Zielperson eine Information beschafft, die die Angelegenheit sehr erleichterte. Seagraves wusste genau, wen er anrufen musste.
KAPITEL 5
KAPITEL 5
Pünktlich um sechs Uhr dreißig an einem klaren, kühlen Morgen in Washington, D. C., öffnete sich die Vordertür von Jonathan DeHavens dreistöckigem Wohnhaus, und er trat in grauem Tweedjackett, hellblauem Schlips und schwarzer Hose heraus. DeHaven, ein großer, hagerer Mann Mitte fünfzig mit einem sorgsam gekämmten Schopf silbergrauen Haars, atmete tief die erfrischende Morgenluft und betrachtete einige Augenblicke lang die prachtvollen alten Herrenhäuser, die sich an der Straße reihten.
DeHaven war bei weitem nicht der wohlhabendste Bewohner dieser Gegend, wo eine Villa Abermillionen Dollar kostete. Er hatte das Haus von seinen Eltern geerbt, die zahlungskräftig genug gewesen waren, um sich schon früh in die heute begehrteste Sammlung von Immobilien in ganz D.C. einzukaufen. Ein Großteil ihres Vermögens war wohltätigen Zwecken zugeflossen, doch dem einzigen Kind der DeHavens war mehr als genug geblieben, um seine Beamtenbezüge aufzustocken und sich bestimmte Hobbys leisten zu können.
Während seine Herkunft es DeHaven erlaubte, sein Leben zu führen, ohne auf jede erdenkliche Weise Geld verdienen zu müssen, galt das keineswegs für sämtliche Bewohner der Good Fellow Street. In der Tat war einer seiner Nachbarn sogar ein Großhändler des Todes – die politisch korrekte Bezeichnung, vermutete DeHaven, lautete »Rüstungslieferant«.
Dieser Mann, ein gewisser Cornelius Behan, der sich gern C.B. nennen ließ, bewohnte einen palastähnlichen Gebäudekomplex, der zwei Original-Herrenhäuser mit einer
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