Camel Club 02 - Die Sammler
im Kopf die Sekunden mitzählte. »Noch zehn Sekunden, und wir sind aus allem raus.«
Leise zählten Stone und Caleb zusammen die letzten Sekunden ab. Doch das Rot wurde nicht grün. Caleb konnte es allerdings nicht sehen. »Nimmst du mir das Ding jetzt ab, Oliver?«, fragte er.
Nun drohten sogar Stones Nerven zu versagen, doch der Gedanke, die Hand fortzunehmen, kam ihm dennoch nicht. Für einen Moment schloss er die Lider, wartete auf den Stich und das Gift.
»Oliver«, erklang Annabelles Stimme. »Da!«
Stone öffnete die Augen und sah in dem Rot einen wunderschönen winzig kleinen Funken von Grün. »Reuben, hilf mir«, rief er dem Langen zu. Reuben sprang herbei. Gemeinsam klappten sie den Kragen auf und entfernten ihn von Calebs Hals. Während sich ringsum Gaffer zusammenscharten, sank Caleb auf die Knie. Als er den Kopf hob, ergriff er Stones Hand.
»Das war die mutigste Tat, die je ein Mensch vollbracht hat, Oliver«, brach es aus ihm hervor. »Ich danke dir.«
Stone sah sich um, und mit einem Schlag erfasste er die Wahrheit. Er reagierte sofort. »Deckung!«, brüllte er. Er schnappte sich den Kragen und schleuderte ihn über die Hecke in den Springbrunnen.
Zwei Sekunden später explodierte der Kragen. Wasserstrahlen schossen nach allen Seiten, Betonbrocken hagelten durch die Luft. Die Umstehenden und zahlreiche andere Passanten verfielen in Panik und ergriffen die Flucht. »Gütiger Himmel, Oliver«, sagte Caleb, während Stone und seine Freunde sich langsam aufrichteten, »woher hast du das gewusst?«
»Es ist eine alte Taktik, Caleb, jemanden von den Tatsachen abzulenken und ihn zur Unvorsichtigkeit zu verleiten. Er hat mir verraten, wo die angeblichen Giftnadeln sind, weil er wusste, dass nicht Gift – falls da überhaupt je Gift drin war –, sondern die Bombe uns umbringen soll.« Stone ließ sich von Reuben die Ledertasche geben und entnahm ihr einen kleinen, flachen Gegenstand, der einen winzigen Monitor aufwies. Rasch bewegte sich auf dem Display ein rotes Pünktchen.
»Nun machen wir den Sack zu«, sagte Stone. 65
KAPITEL 65
»Sie sind am Smithsonian Castle runter in die U-Bahn gelaufen«, sagte Reuben, als sein Blick auf den kleinen Monitor fiel, den Stone in der Faust hielt, während sich die Gruppe auf der National Mall im Laufschritt einen Weg durch Trauben verstörter Menschen und gelegentlich auch kleinere Polizeiposten bahnte.
»Genau darum hatten wir ja diesen Treffpunkt vereinbart«, rief Stone ihm zu.
»Aber die U-Bahn ist bestimmt proppenvoll«, schnaufte Milton. »Wie sollen wir sie da finden?«
»Wir haben von Trent und Konsorten was gelernt. Entsinnst du dich an diese leuchtende Chemikalie, mit der sie in dem Buch bestimmte Buchstaben markiert hatten?«
»Klar«, antwortete Milton. »Und?«
»Ich hab Trent eine Chemikalie gespritzt, die Alex Ford uns überlassen hat. Sie übermittelt diesem Empfänger ein Signal. Damit ist der Mann für uns wie ein wandelnder Leuchtturm. Wir können ihn unter Tausenden finden. Alex und seine Kollegen haben auch einen Empfänger. Wir kreisen diese Scheißtypen ein.«
»Hoffentlich klappt’s«, keuchte Caleb, während sie sich durch das Gewimmel der Veranstaltungsteilnehmer drängten. Er rieb sich den Hals. »Sie sollen im Knast schwarz werden. Und keine Bücher zu lesen kriegen. Kein einziges! Das wäre die richtige Strafe.«
Plötzlich schollen aus der U-Bahnstation Schreie herauf.
»Vorwärts!«, rief Stone, und sie hasteten die Rolltreppe hinunter.
Während Trent und seine zwei Begleiter auf die nächste U-Bahn gewartet hatten, näherten sich ihnen von hinten zwei als Wartungspersonal getarnte Secret-Service-Agenten. Aber noch bevor die Männer ihre Dienstwaffen ziehen konnten, stürzten sie mit klaffenden Schusswunden im Rücken vornüber. Roger Seagraves, der einen Mantel trug, steckte seine beiden mit Schalldämpfern ausgestatteten Pistolen zurück ins Gürtelhalfter. Die allgemeine Geräuschkulisse im U-Bahnhof hatte die Schüsse übertönt, doch als die Getroffenen hinschlugen und die Leute das Blut sahen, brach Panik aus. Schreie gellten, und fluchtartig suchten Bürger nach allen Seiten das Weite. Einer der Secret-Service-Agenten raffte noch einmal alle Kraft zusammen, ehe er starb, und schoss einen der Kapuzenträger in den Kopf. Als der Mann stürzte, fiel die Zündvorrichtung, die er noch bei sich trug, scheppernd auf den Fliesenboden.
Eine U-Bahn mit westlicher Fahrtrichtung rauschte in die Station.
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