Camel Club 02 - Die Sammler
wenig vom alten Ruhm zurückgegeben.
Jedenfalls war jetzt ein Problem aus dem Weg geräumt. Aber wahrscheinlich würde sehr bald ein anderes dessen Stelle einnehmen.
Umso besser, überlegte Roger Seagraves. Er löste gern solche Probleme und war dabei sehr einfallsreich. Es lag in seiner Natur.
KAPITEL 2
Rülpser aus schwarzem Rauch – wahrscheinlich mit genug krebserregenden Stoffen versetzt, um eine oder zwei ahnungslose Generationen auszulöschen – wurden von einem Fabrikgebäude aus verwitterten alten Ziegelsteinen in einen Himmel gespien, der schwarz war vor Regenwolken und sich über einer Industriestadt spannte, die wegen der Billiglöhne, die in noch schlimmer verpesteten Städten Chinas gezahlt wurden, einen unausweichlichen Tod starb. In einer schmale Gasse hatte sich eine kleine Menge um einen Mann versammelt. Es war kein Schauplatz eines Verbrechens mit blutiger Leiche; es war kein Straßen-Shakespeare, der seine schauspielerischen Künste darbot; es war nicht einmal ein Prediger, der zwecks Errettung unsterblicher Seelen mit lauter Stimme und Klingelbeutel hausieren ging. Der Mann, der im Mittelpunkt des Interesses stand, war in seinem Gewerbe als »Geber« bekannt – und nun tat er sein Bestes, um die Menge beim Glücksspiel »Three Card Monte« um ihr Geld zu erleichtern.
Der Geber wurde von einem Team von Halsabschneidern unterstützt: den »Lockvögeln«, die in regelmäßigen Abständen getürkte Spiele gewannen, um die Hoffnung der Opfer auf eine eigene Glückssträhne aufrechtzuerhalten. Dem »Aufpasser«, der Schmiere stand. Dem »Schläger«, der Störenfriede und protestierende Verlierer zum Schweigen brachte. Den beiden »Fängern«, deren Aufgabe darin bestand, für einen ständigen Nachschub an Ahnungslosen zu sorgen, die sich auf ein Kartenspiel einließen, das sie niemals gewinnen konnten.
Die Frau, die das Treiben von der anderen Straßenseite aus beobachtete, kannte nur den Geber. Seine Bande kannte sie nicht, hatte aber nach dem ersten Eindruck keine allzu hohe Meinung von ihr. Nun trat sie näher und beobachtete, wie die Menge abwechselnd jubelte und aufstöhnte, als Wetten gewonnen oder verloren wurden. Die Frau hatte ihre Laufbahn als Lockvogel für einen der besten Geber des Landes begonnen, der fast überall seinen Tisch aufstellen konnte, um eine Stunde später mit mindestens zwei Riesen in der Tasche abzuziehen, ohne dass seine Opfer auch nur ahnten, dass sie keiner Pechsträhne, sondern einem Ganoven zum Opfer gefallen waren.
Der Geber, den die Frau nun beobachtete, war ein Könner, und das aus gutem Grund: Er war von demselben Mann ausgebildet worden wie sie selbst. Wie die Frau mit kundigem Blick erkannte, benutzte er die Doppelkarten-Technik mit der vorn liegenden Dame, bei der im kritischen Moment des Gebens die hintere Karte die Dame ersetzen würde – das war der Schlüssel zum Gewinn.
Das Three Card Monte basierte auf dem Hütchenspiel, nur ging es hier darum, die Dame aus den drei Karten auf dem Tisch zu finden, nachdem der Geber sie mit verwirrender Geschwindigkeit gemischt und ausgelegt hatte. Nur war die Dame unmöglich zu finden, weil sie gar nicht auf dem Tisch lag: Einen Sekundenbruchteil, ehe die vermeintlich »richtige« Lage der Dame offengelegt wurde, tauschte der Geber sie mit flinken Fingern gegen eine andere Karte aus. Seit es Kartenspiele gab, hatte man mit dieser simplen Bauernfängerei ahnungslosen Opfern das Geld aus der Tasche gezogen.
Die Frau glitt hinter einen Müllcontainer, suchte Blickkontakt mit ihrer Komplizin, die in der Menge stand, nickte unmerklich in Richtung des Aufpassers und setzte sich dann eine große, gespiegelte Sonnenbrille auf. Einen Moment später wurde die Aufmerksamkeit des Aufpassers von einer Spielerin im Minirock abgelenkt, die sich direkt vor ihm bückte, um eine heruntergefallene Münze aufzuheben, wobei sie dem Aufpasser einen Blick auf ihren festen Hintern und den roten Stringtanga bot, der kaum ausreichte, selbigen zu verbergen. Der Aufpasser glaubte zweifellos, unheimliches Glück gehabt zu haben, doch genau wie beim Three Card Monte spielte Glück die geringste Rolle: Die Frau trug den Rock nur zum Zweck der Ablenkung – eine sehr simple Technik, die bei Männern jedoch funktionierte, seitdem Frauen Kleidung trugen.
Vier schnelle Schritte, und die Frau mit der Sonnenbrille stand mitten unter den Betrügern. Sie bewegte sich so selbstsicher und energisch, dass die Menge ihr den Weg freimachte,
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