Camel Club 02 - Die Sammler
Monografie Ihres verstorbenen Kollegen über die Monostichia Catonis zu lesen.«
Philips lachte gedämpft. »Wie schön, dass selbst berühmte Gelehrte sich einen gesunden Sinn für Humor bewahrt haben.«
»Ich gebe mir Mühe, Sir«, sagte Stone, indem er sich andeutungsweise verbeugte. »Ich gebe mir Mühe.«
Nachdem Philips sich entfernt hatte, strebten Caleb und Stone zu den Tresorräumen. »Woher weißt du über Jonathans Spezialgebiet Bescheid?«, erkundigte sich Caleb, sobald niemand mehr sie belauschen konnte.
»Ich habe Milton gebeten, für mich zu recherchieren. Er hat diese Monografie im Internet gefunden und mir ausgedruckt. Für den Fall, dass jemand wie Philips uns in die Quere kommt, hab ich mir den Text eingescannt und zur Brust genommen.« Caleb wirkte verstimmt.
»Was ist los?«, fragte Stone.
»Weiß du, es ist schon deprimierend, wie leicht ein Gelehrter gespielt werden kann.«
»Ich bin mir sicher, dass deine vorteilhafte Begrüßung für deinen Chef den Ausschlag gegeben hat.«
Caleb strahlte. »Ja, könnte schon sein«, sagte er bescheiden, »dass ich ein klein wenig zum Erfolg beigetragen habe.«
»Gut, und nun zeig mir, welchen Weg du an dem Tag gegangen bist.«
Caleb tat wie geheißen; die Führung endete im obersten Stockwerk. Erwies auf eine Stelle des Fußbodens. »Da hat er gelegen.« Er schauderte. »Du lieber Himmel, war das ein schrecklicher Anblick!«
Stone sah sich um, verharrte und zeigte auf einen Gegenstand an der Wand. »Was ist das?«
Caleb schaute hin. »Ach, das ist eine Düse der Brandbekämpfungsanlage.«
»Was denn? Trotz der vielen kostbaren Bücher wird hier zum Löschen Wasser benutzt?«
»Aber nein. Es ist ein Halon-1301-System.«
»Halon 1301?«, wiederholte Stone.
»Halon ist ein Gas … das heißt, eigentlich ist es eine Flüssigkeit, aber wenn sie aus dem System kommt, wird sie zu Gas. Es erstickt das Feuer, ohne die Bücher zu beeinträchtigen.«
Diese Aussage löste bei Stone merkliche Erregung aus. »Erstickt? O Gott!« Befremdet blickte Caleb ihn an. Stone fragte: »Kannst du dir nicht denken, was ich meine?«
Schlagartig begriff Caleb, was Stone meinte. »Erstickt? Nein, Oliver, das kann unmöglich Jonathans Todesursache gewesen sein.«
»Wieso nicht?«
»Weil eine Person mehrere Minuten Zeit hätte, um diesen Bereich zu verlassen, ehe sie eine Wirkung spürt. Deshalb verwendet man Halon in von Menschen benutzten Gebäuden. Und es gibt einen Alarm, ehe das Gas freigesetzt wird. Zwar arbeitet man momentan an einem Austausch der Löschanlage, aber nicht, weil sie gefährlich wäre.«
»Sondern?«
»Halogene schädigen stark die Ozonschicht. Halon 1301 darf hierzulande noch zum erneuten Gebrauch recycelt werden, die Herstellung aber ist in den USA seit Mitte der Neunzigerjahre verboten. Allerdings ist die Regierung nach wie vor der größte Verwender.«
»Du weißt ja ’ne Menge über das Zeug.«
»Als die Löschanlage installiert wurde, mussten alle Mitarbeiter eine Schulung besuchen. Außerdem habe ich mich über das Thema zusätzlich informiert.«
»Weshalb?«
»Weil ich mich oft in den Tresorräumen aufhalte und ungern ein scheußliches Ende nehmen möchte«, bekannte Caleb. »Du weißt, dass es mir völlig an persönlichem Mut mangelt.«
Stone betrachtete die Düse. »Wo wird das Gas gelagert?«
»Im Keller. Es gelangt durch Rohre nach oben.«
»Du sagst, es wird als Flüssigkeit gelagert, kommt aber als Gas heraus?«
»Genau. Die Ausspritzgeschwindigkeit der Düse verwandelt die Flüssigkeit in Gas.«
»Dann muss es sehr kalt sein.«
»Ja, wenn man dabei vor der Düse steht, kann man sich Erfrierungen zuziehen.«
»Was weißt du noch?«
»Na ja, wenn man lange genug hier im Raum bleibt, kann man natürlich ersticken. Faustregel ist: Fehlt es am Sauerstoff für ein Feuer, ist auch kein Sauerstoff zum Leben da.«
»Könnte das Gas einen Herzanfall verursachen?«
»Keine Ahnung. Aber das ist belanglos. Das System war nicht in Betrieb. Man hört den Warnton im ganzen Haus. Jonathan hätte schon tot sein müssen, um ihn zu überhören.«
»Und wenn die Warnanlage abgeschaltet war?«
»Wer hätte das tun sollen?«, hielt Caleb skeptisch dagegen.
»Ich weiß es nicht.«
Während der Unterhaltung hatte ein großes Belüftungsgitter, das in eine Säule integriert war, die ein Buchregal stützte, Stones Aufmerksamkeit erregt. »Gehört das zur Klimaanlage?«, fragte er. Caleb nickte. »Es muss etwas dagegen gefallen sein«,
Weitere Kostenlose Bücher