Camel Club 02 - Die Sammler
nichts aus?«, fragte Milton.
»Ich wäre besorgter, hätten sie versucht, mich zu töten, und das wäre ihnen trotz Reubens heldenhaftem Eingreifen ohne Weiteres möglich gewesen.«
»Und was nun?«, fragte Reuben. Er stand nahe am Kamin und wärmte sich. Sein Blick fiel auf die Uhr. »Ich muss zur Arbeit.«
»Ich auch«, erklärte Caleb.
»Hör mal, Caleb«, sagte Stone, »ich müsste mich mal in den Tresorräumen der Bibliothek umschauen. Ist das machbar?«
Caleb wirkte unsicher. »Na ja, unter normalen Umständen schon. Ich bin berechtigt, Besucher in die Tresorräume zu führen, muss allerdings einen Grund angeben. Freunde und Verwandte einfach ohne vorherige Anmeldung mitzubringen ist unerwünscht. Und nach Jonathans Tod wurde die Aufsicht verschärft.«
»Und wenn der Besucher ein Gelehrter aus Übersee wäre?«, fragte Stone.
»Das wäre natürlich etwas ganz anderes.« Caleb musterte Stone. »Welchen ausländischen Gelehrten kennst du denn?«
»Ich glaube«, sagte Reuben, »er spricht von sich selbst.«
Streng sah Caleb seinen Freund an. »Oliver, ich kann unmöglich an einer Täuschung der Kongressbibliothek mitwirken!«
»Eine verzweifelte Situation verlangt verzweifelte Maßnahmen. Nach meiner Einschätzung sind wir zu Zielscheiben höchst gefährlicher Leute geworden, nur weil wir auf einmal mit Jonathan DeHaven zu tun haben. Deshalb müssen wir herausfinden, ob er eines natürlichen Todes gestorben ist oder nicht. Wenn wir uns den Ort seines Ablebens ansehen, kann uns das helfen, diese Frage zu klären.«
»Aber wir wissen doch, woran er gestorben ist«, sagte Caleb. Die anderen Clubmitglieder schauten überrascht drein. »Ich hab’s erst heute früh erfahren«, erklärte Caleb hastig. »Ein Kollege aus der Bibliothek hat mich angerufen. Jonathan ist an kardiopulmonalem Herzversagen verstorben, hat die Autopsie ergeben.«
»Daran stirbt jeder«, sagte Milton. »Es bedeutet nichts anderes, als dass das Herz stehen bleibt.«
Stone zog eine versonnene Miene. »Milton hat recht. Und es legt nahe, dass der Gerichtsmediziner gar nicht weiß, was DeHaven umgebracht hat.« Er stand auf und heftete den Blick auf Caleb. »Ich möchte heute Vormittag in eure Tresorräume.«
»Oliver, du kannst bei uns nicht einfach unangemeldet als Gelehrter aufkreuzen.«
»Warum nicht?«
»Es geht einfach nicht. Es sind Vorschriften und bestimmte Verfahren zu beachten.«
»Ich behaupte einfach, ich wäre zu einem Verwandtenbesuch in der Stadt und hätte den spontanen Entschluss gefasst, die umfangreichste Bibliothek der Welt zu besichtigen.«
»Nun ja, das könnte klappen«, gestand Caleb widerwillig. »Aber wenn man dir Fragen stellt, auf die du keine Antwort weißt?«
»Keine Rolle ist leichter zu spielen als die eines Gelehrten, Caleb«, versicherte Stone. Anscheinend fühlte Caleb sich durch diese Bemerkung gekränkt, doch Stone achtete nicht auf seine Verärgerung. »Ich bin um elf Uhr in der Bibliothek«, fügte er hinzu. Er schrieb etwas auf einen Zettel und reichte ihn Caleb. »Das ist meine Tarnung.«
Caleb guckte auf den Zettel und hob verdutzt den Blick.
Damit endete die Mitgliederversammlung des Camel Clubs. Allerdings nahm Stone noch Milton zur Seite, um ihm mit leisen Worten etwas mitzuteilen.
Ein paar Stunden später händigte Caleb einem älteren Mann namens Norman Janklow, einem regelmäßigen Gast des Lesesaals, ein Buch aus.
»Hier ist es, Norman.« Das Buch war ein Exemplar von Ernest Hemingways In einem anderen Land. Janklow war Hemingway-Fan. Der Band, den er jetzt entgegennahm, war eine Erstausgabe des Romans, zudem von Hemingway signiert.
»Wie gern würde ich dieses Buch besitzen, Caleb«, sagte Janklow.
»Ist mir klar, Norman. Ich auch.« Eine Hemingway-Erstausgabe mit Autogramm kostete mindestens 35000 Dollar, wusste Caleb – ein Preis, der seine monetären Möglichkeiten überstieg, und wahrscheinlich auch Janklows Mittel. »Aber wenigstens kann man es hier mal in die Hand nehmen.«
»Ich fange jetzt endlich an, meine Hemingway-Biografie zu schreiben.«
»Hervorragend.« Janklow fing schon seit zwei Jahren mit seiner Hemingway-Biografie an. Anscheinend bauchpinselte ihn diese Vorstellung, und Caleb gönnte ihm die harmlose Spinnerei.
Behutsam betastete Janklow das Buch. »Der Einband wurde restauriert«, stellte er leicht gereizt fest.
»Ja, stimmt. Viele unserer Erstausgaben amerikanischer Meisterwerke waren unter ungünstigen Bedingungen untergebracht, ehe die
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