Camel Club 02 - Die Sammler
Abend mit einer Frau in Jonathans Haus, habe ich mitbekommen.«
Dieser zweite plötzliche Wechsel des Gesprächsthemas überraschte Caleb nicht mehr. »Sie hätten rüberkommen sollen, wenn Sie uns gesehen haben«, sagte er.
»Ich war beschäftigt. Aber meine Wachleute haben es gesehen. Sie halten immer die Augen offen. Wer war denn die Frau?«
»Eine Antiquarin und Expertin für besonders seltene Bücher. Ich hatte sie hergebeten, damit sie einige Bücher aus Jonathans Sammlung für die Preisfestlegung wertmäßig begutachtet.« Dass ihm diese Lüge so schnell eingefallen war, erfüllte Caleb mit gehörigem Stolz.
»Und was wird aus Jonathans Haus?«
»Ich vermute, es wird verkauft. Aber dieser Teil der Nachlassverwaltung geht mich nichts an.«
»Ich habe überlegt, ob ich es kaufen und zum Gästehaus umbauen soll.«
»Ist Ihre Villa denn nicht groß genug?«, fragte Caleb, ohne sich etwas dabei zu denken.
Behan lachte. »Ich weiß, man sollte es meinen, aber wir haben oft viele Gäste. Ich hatte gehofft, Sie könnten mir eventuell vorab einen Tipp geben, was die Zukunft des Hauses angeht. Vielleicht haben Sie sich ja alles von oben bis unten angeschaut.« Seine Stimme hatte einen sachlichen Klang.
»Nein. Ich beschränke meine Tätigkeit auf die Büchersammlung im Panzergewölbe.«
Behan musterte Caleb aufmerksam. »Dann rufe ich meine Anwälte an. Sollen die mal was tun für ihr Geld.« Er zögerte. »Wäre es möglich«, fragte er dann, »dass Sie mich herumführen, wo ich gerade hier bin? Sie sollen hier ja extrem seltene Bücher aufbewahren.«
»Daher die Bezeichnung Raritätenabteilung.« Mit einem Mal hatte Caleb eine Idee. Sie verstieß zwar gegen Vorschriften der Bibliothek, konnte möglicherweise aber den Weg ebnen, um Jonathans Mörder zu entlarven. »Möchten Sie die Tresorräume besichtigen?«
»Ja«, antwortete Behan fast ein bisschen zu schnell.
Caleb machte mit ihm die Standardführung, deren Endpunkt unweit der Stelle lag, wo Jonathan DeHaven der Tod ereilt hatte. Bildete Caleb es sich ein, oder verweilte Behans Blick ein bisschen zu lange auf der Düse der Löschanlage, die aus der Wand ragte? Er sah seinen Verdacht bestätigt, als Behan unversehens auf die Düse zeigte. »Was ist das?«
Caleb erläuterte ihm die Brandbekämpfungsanlage. »Demnächst wird das jetzige Löschmittel durch ein anderes ersetzt, das dem Ozon weniger schadet.«
Behan nickte. »Prächtig. Vielen Dank für die Führung.«
Caleb rief Stone an, sobald Behan fort war, und informierte ihn über die Begegnung. »Seine indirekte Art zu fragen, ob Jonathan Feinde hatte, ist ziemlich seltsam, aber vielleicht sondiert er ja die Möglichkeit, den Mord jemand anderem in die Schuhe zu schieben. Und dass er wissen wollte, ob du dir das gesamte Haus angeschaut hast, ist sehr aufschlussreich. Ob er über die voyeuristische Neigung seines Nachbarn Bescheid wusste?«
Nachdem er das Telefonat mit Stone beendet hatte, griff sich Caleb das Buch, das er aus Jonathans Panzergewölbe mitgenommen hatte, und wechselte durch eine Reihe unterirdischer Gänge hinüber ins Madison Building, in dem die Reparatur- und Restaurationsabteilung untergebracht war. Die Abteilung bestand aus zwei großen Sälen, einem für Bücher und einem für andere Gegenstände. Hier arbeiteten nahezu einhundert Konservatoren an der Restaurierung seltener und weniger seltener Dinge, um diese wieder in einen besseren Zustand zu versetzen. Caleb betrat den Büchersaal und ging zu einem Tisch, an dem ein dünner Mann in grünem Kittel behutsam die Seiten eines deutschen Frühdrucks umblätterte. Auf dem Tisch lag ein umfangreiches Sortiment der verschiedensten Werkzeuge, von Ultraschallschweißgeräten über Teflonspatel bis zu X-Acto-Messern und altmodischen Schraubzwingen.
»Hallo, Monty«, sagte Caleb. Monty Chambers hob den Blick, sah Caleb durch eine dicke, getönte Brille an und strich sich mit der behandschuhten Rechten über die Glatze. Sein fliehendes Kinn war glatt rasiert und schien mit dem Hals zu verschmelzen. Er würdigte Caleb keiner Antwort, nickte ihm lediglich zu. Monty war über sechzig und seit Jahrzehnten der herausragendste Konservator der Kongressbibliothek. Er bekam stets die schwierigsten Aufträge und hatte jeden mit bewundernswerter Meisterschaft bewältigt. Man sagte ihm nach, dass er selbst die schadhaftesten und gammeligsten Bücher wie neu machen konnte. Überschwänglich lobte man die Gewandtheit und Feinfühligkeit seiner
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