Camel Club 02 - Die Sammler
erst zugreifen konnten. Keller erläuterte verschiedene Aspekte, während Annabelle die Gesamtheit der Pläne zügig durchsah; dann lenkte sie, um ihm auch dazu Angaben zu entlocken, seine Aufmerksamkeit auf die Brandbekämpfungsanlage, die Raritätenabteilung und ihre Tresorräume.
»Sehe ich das richtig? Die Löschanlage ist zentral, und das Rohrsystem verläuft durchs Gemäuer?«, fragte Annabelle, wobei sie auf den entsprechenden Teil der Zeichnungen zeigte.
»Genau. Dank des Rohrsystems konnten wir sie zentral installieren. Derzeit erfolgt die Umstellung auf ein anderes Löschmittel.«
»Jetzt ist es Halon 1301«, sagte Milton, und Annabelle lohnte es ihm mit einem strahlenden Lächeln. »Ein monströser Ozonkiller. In Europa hat man genau das gleiche Problem.«
»So ist es«, sagte Keller.
»Und die Rohre führen senkrecht hinauf in die Tresorräume um den Lesesaal«, stellte Annabelle fest.
»Ja. Die Verlegung war heikel, weil wir wenig Platz hatten, aber wir haben einige der wichtigsten Rohre in die vorhandenen Säulen integriert.«
»Und sie sind trotzdem tragfähig geblieben«, lobte Annabelle. »Eine sehr kluge Lösung.«
Sie sichteten die Baupläne noch eine halbe Stunde lang, bis Annabelle erklärte, zufrieden zu sein. »Müssen Sie noch etwas sehen, Leslie?«, wandte sie sich an Milton.
Er schüttelte den Kopf, lächelte und tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. »Ich habe alles hier drin.«
Annabelle lachte, und Keller fiel ein.
Für die angebliche Reportage machte Annabelle ein Foto Kellers und seines Mitinhabers Mahoney. Sie versprach, umgehend ein Belegexemplar der Startausgabe zu schicken, sobald die Zeitschrift erschien, und fügte in Gedanken hinzu: Da könnt ihr bis in alle Ewigkeit warten, Jungs.
»Falls Sie noch weitere Fragen haben«, sagte Keller, als sie sich verabschiedeten, »zögern Sie nicht, uns anzurufen.«
»Sie haben uns mehr geholfen, als Sie sich vorstellen können«, erwiderte Annabelle wahrheitsgemäß.
»Gott sei Dank, dass es ausgestanden ist«, meinte Milton, als sie in Annabelles Mietwagen stiegen, einen Ford. »Meine Hände sind so verschwitzt, dass ich am Auto kaum den Türgriff fassen konnte.«
»Milton, Sie haben sich prächtig bewährt. Die Bemerkung über das Halon kam genau im richtigen Augenblick, um den Hammel zu scher … ich meine, um Keller einzulullen.«
»Ich hatte auch meinen Spaß daran. Ein paarmal war mir allerdings zumute, als müsste ich mich übergeben.«
»Denken Sie gar nicht an so etwas, man gewöhnt sich an alles. Und ›Ich hab alles hier drin‹ war ein echter Brüller.«
Miltons strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Hat’s Ihnen gefallen? Ist mir einfach so rausgerutscht.«
»Sie sind ein echtes Naturtalent.«
Milton sah sie an. »Anscheinend sind aber auch Sie begabt für solche Auftritte.«
Annabelle legte den ersten Gang ein. »Ist bloß Anfängerglück.«
KAPITEL 34
Während Annabelle und Milton sich mit den Architekten trafen, trieb Stone sich in der Gegend herum, in der Bob Bradley gewohnt hatte. Er trug einen Schlapphut, einen übergroßen Mantel und eine weite, ausgebeulte Hose. Er führte Goff an der Leine, Calebs Mischlingshund, der nach dem ersten Chef der Raritätenabteilung benannt worden war. Stone hatte sich oft dieses Tricks bedient, schon in seinem alten Job für die Regierung: Die Menschen brachten es nicht über sich, jemandem zu misstrauen, der mit seinem Hund Gassi ging. Stone konnte unmöglich ahnen, dass Roger Seagraves nach Bradleys Ermordung ebendiesen Trick angewandt hatte, um das Weite zu suchen.
Als er die Straße entlangschlenderte, erkannte Stone, dass von dem Wohnhaus nur schwarze Trümmerhaufen aus Stein und Holz übrig waren, aus denen ein versengter Ziegelschornstein aufragte. Auch die Häuser zu beiden Seiten der Ruine waren stark beschädigt worden. Es war kein besonders wohlhabendes Viertel. Kongressabgeordneter zu werden bedeutete keineswegs den finanziellen Aufstieg, für den viele Leute es hielten. Kongressmitglieder mussten einen doppelten Wohnsitz haben, im heimatlichen Bundesstaat und in der Bundeshauptstadt, und im D.C. waren die Mieten und Immobilienpreise immens. Manche Kongressabgeordnete, vor allem Neulinge, teilten sich aus Einsparungsgründen in Washington eine gemeinsame Wohnung oder schliefen im Büro. Doch Bradley, der Veteran, hatte allein gelebt.
Stone hatte nicht nur die in seinem Geheimarchiv versteckten Kladden zu Rate gezogen, sondern sich darüber
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