Camel Club 04 - Die Jäger
Täler und an Abhänge geschmiegte kleine Zinnhüttenbetriebe zeigten. Eine große Frau mit rotem Gesicht quälte hinter der Theke die Tasten eines Computers.
Sie hob den Blick und lächelte. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich würde gerne mal das Telefon benutzen. Können Sie mir für einen Fünfer Kleingeld geben?«
Sie tat es und entschwand in die rückwärtigen Räume des Ladens, während Stone den Apparat mit den Münzen fütterte. Er kontaktierte die einzige Person, von der er wusste, dass sie eine garantiert nicht anpeilbare Rufnummer hatte: Reuben Rhodes. Das lag daran, dass Reuben keinen eigenen Handyvertrag hatte, sondern von Hunderten verschiedener anderer Handybenutzer sekundenweise Sprechzeit klaute. Wahrscheinlich hatte Milton ihm diesen Trick beigebracht.
Reuben meldete sich nach dem zweiten Klingelton. Er konnte es kaum glauben, als er hörte, wer der Anrufer war. Nachdem Stone ihm erklärt hatte, es ginge ihm gut und er habe keinesfalls vor, zu verraten, wo er sich aufhielt, erkundigte er sich nach den Ermittlungen.
»Ein CIA-Agent namens Joe Knox hat mit allen außer mir gesprochen. Der Kerl ist anscheinend ein richtiger Bluthund. Er weiß, dass du und John Carr dieselbe Person seid. Und er weiß, dass du die Fliege gemacht hast. Falls sie dich schnappen, Oliver, kriegt kein Gericht dich jemals zu sehen.«
»Das ist mir auch klar geworden, Reuben. Wie halten sich unsere Freunde?«
»Gut. Nur Alex tanzt aus der Reihe.«
»Er ist ein Geheimdienstmann, Reuben. Er sitzt zwischen den Stühlen.«
»Er hat Annabelle geraten, den Brief zu verbrennen, den du zurückgelassen hast. Dafür muss ich ihm wohl ein paar Pluspunkte anrechnen.«
»Richte ihm von mir aus, dass ich es zu würdigen weiß.«
Kurzes Schweigen. Dann sagte Reuben: »Hör mal, Oliver …«
»Ich bestätige dir nicht, dass ich es getan habe«, fiel Stone ihm ins Wort. »Das hätte keinen Nutzen. Ich wollte dir nur sagen, dass du mir ein besserer Freund warst, als ich es verdient habe. Du und die anderen. Ich werde die Nachrichten verfolgen. Sobald es auch nur im Entferntesten danach aussieht, dass einer von euch wegen dieser Angelegenheit Nachteile erleidet, stelle ich mich.«
»Wir können gut auf uns selbst aufpassen. Uns können sie nichts anhaben. Aber wenn du dich der Polizei stellst, funkt die CIA dazwischen und schreit ›Nationale Sicherheit!‹, und dann verschwindest du für immer von der Bildfläche.«
»Lass das meine Sorge sein«, entgegnete Stone. »Und danke für alles.«
Reuben wollte etwas erwidern, aber Stone hatte den Hörer schon eingehängt und das Gespräch mit allem Nachdruck der Endgültigkeit beendet. Mir ist, als würde ich mir den rechten Arm abschneiden. Leb wohl, Reuben.
Als er aufblickte, sah er, dass die Ladeninhaberin ihn neugierig betrachtete. Doch er hatte so leise gesprochen, dass sie ihn unmöglich belauscht haben konnte.
»Hat die Verbindung geklappt?«, erkundigte die Frau sich freundlich.
»Tadellos. Danke.« Sie nahm den Blick nicht von ihm. »Hübsche Sachen haben Sie hier«, sagte Stone schließlich und zeigte auf ein Gemälde an der Wand. »Wer hat das da gemalt?«
Die Frau setzte eine betroffene Miene auf. »Das muss von Debby Randolph sein.«
»Sie hat Talent.«
»Ja.« Schnell wechselte die Frau das Thema. »Ich bin Wanda. Ich habe Sie hier noch nie gesehen.«
»Ich bin eben erst eingetroffen. In der vergangenen Nacht, zusammen mit Danny Riker.«
»Danny?«, wiederholte Wanda verblüfft. »Ich dachte, er hätte Divine verlassen.«
»Tja, jetzt ist er wieder da, aber wohl nur vorübergehend. Wie läuft das Geschäft?«
»Richtig gut, vor allem über die Homepage. Viele Menschen finden Gefallen am appalachischen Kunstgewerbe. Ich nehme an, es versetzt die Menschen in schlichtere Zeiten zurück. Dadurch fühlen sie sich wohler.«
»So etwas tut wahrscheinlich jedem ab und zu ganz gut. Also, vielen Dank.«
»Keine Ursache. Ich hoffe, Sie schauen wieder mal rein. Bald kommt eine Lieferung Schwarzbärjungtiere, die aus Kohlebrocken geschnitzt sind. Eignen sich gut als Briefbeschwerer.«
»Ja, bestimmt.«
Stone verließ das Wohlfühl-Geschäft mit dem Gefühl, die letzten Meter zum eigenen Tod zurückzulegen. Wieder war er ganz auf sich allein gestellt.
KAPITEL 18
Nach knapp einem Kilometer ging die asphaltierte Straße in eine Schotterstraße über. Stone kam an einer Steinkirche mit niedrigem Türmchen vorbei, um deren Kirchhof eine Trockenmauer stand. Neben dem Gotteshaus
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