Camel Club 04 - Die Jäger
erbst du alles.«
Danny streifte das Oberhemd ab und enthüllte einen sehnig-muskulösen Oberkörper. »Wer sagt, dass ich es haben möchte?«
»Das ist ein Argument. Bist du Einzelkind?«
»Ja.«
»Auf dem Weg zur Farm war ich am Grab deines Vaters.«
»Deshalb haben wir ja diesen ganzen Scheiß.«
»Wie meinst du das?«
»Dank einer Klage gegen das verfluchte Bergwerksunternehmen, wegen dem mein Alter krepiert ist. Fast immer gewinnen die Zechen solche Prozesse. Oder sie zahlen Peanuts, weil sie die besten Anwälte haben. Aber Mom hat nicht lockergelassen und ihre Ansprüche durchgesetzt. Das Bergwerk musste am Ende klein beigeben. Mom hat denen gezeigt, was ’ne Harke ist. Sie hat ihr Blutgeld gekriegt. Hat uns nicht mehr gekostet als sie den Ehemann und mich den Vater.« Danny schleuderte eine weitere Schaufelladung Pferdemist in die Schubkarre und schlug das Werkzeug gegen die Blechseite der Karre, als wollte er seine Worte unterstreichen.
»Trotzdem führt deine Mutter noch das Restaurant?«
»Sie ist gerne beschäftigt, und die Leute müssen ja was futtern.«
»Der ganze Ort macht einen ziemlich wohlhabenden Eindruck.«
»Der Kohlepreis ist auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten, und es gibt zu wenig Bergleute. Wenn die Nachfrage höher ist als das Angebot, steigt das Einkommen. Und das hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Hohe Gehälter und niedrige Lebenshaltungskosten bedeuten Wohlstand für den kleinen Mann. So einfach ist das.«
»Hört sich an, als hättest du Betriebswirtschaft studiert.«
»Nee, ich bin bloß ein dummer ehemaliger Highschool-Mädchenschwarm, aber ich hab Augen im Kopf und gute Ohren und ein bisschen gesunden Menschenverstand. Wo pennst du kommende Nacht?«
»Es muss in der Gegend doch ein Motel geben, oder?«
»In der Ortsmitte gibt’s ’ne Pension, ein paar Häuserblocks von Moms Restaurant entfernt, am Gerichtsgebäude gleich um die Ecke. Billig, aber sauber. Der Besitzer heißt Bernie Sandusky.« Danny lachte. »Sag dem alten Bernie, dass Danny dich schickt.«
»Warum? Gibt er mir dann Rabatt?«
»Nee, wahrscheinlich tritt er dich noch auf der Schwelle in den Hintern.«
»Wieso?«
»Bernie hat eine niedliche Enkelin. Dottie heißt die Kleine. Vor ein paar Jahren hat er uns in einem seiner Zimmer ertappt, wie wir unsere Biologie-Hausaufgaben gemacht haben.« Danny lachte und schaufelte einen dicken Batzen Mist in die Schubkarre. »So, jetzt hab ich die Schnauze voll von der Schufterei. Den Rest musst du alleine übernehmen, altes Haus.«
Stone sah Danny nach, bis er auf seinem Reittier aus dem Blickfeld entschwand. Dann beendete er die Arbeiten und schlenderte gemächlich einen Feldweg entlang, der um einen mit kargen Pinien bewachsenen Hügel herumführte. Abbys Grundstück schien keine Grenzen zu haben. Stone gelangte auf einen zweiten Kiesweg, der in eine andere Richtung verlief und seiner Schätzung nach zurück auf die Hauptstraße führen musste – jedoch nicht auf der Seite, von der er das Gelände betreten hatte, sondern auf der Gegenseite.
Ein paar Minuten später stapfte Stone über einen schwarz verfärbten Feldweg, der an einer alten Scheune endete, der allem Anschein nach der baldige Einsturz drohte. Im Innern standen eine Rostlaube von grauem Kleinlaster, nicht minder rostige Traktoren und sonstiges landwirtschaftliches Gerät. Außerdem entdeckte Stone vergammelte Heuballen.
Er hockte sich auf den Kotflügel des Kleinlasters und zählte seine knappe Barschaft. Die Danny erwiesene Hilfsbereitschaft war ihn teuer zu stehen gekommen. Schon die Zugfahrkarte war nicht billig gewesen, und die Busfahrt in die Umgebung Divines hatte ihn zusätzliche Dollars gekostet. Danny hatte angeboten, ihm die Ausgaben zu erstatten, doch Stone hatte abgelehnt. Wie sollte er sich im Ort ein Zimmer mieten? Er hoffte, dass Abby sich bei der Entlohnung der Hausmeisterarbeiten als großzügig erwies, sodass er weiterziehen konnte.
Aber warum sollte er sich eigentlich noch mit Gedanken an Flucht befassen? Vielleicht hätte er einen Schlussstrich ziehen sollen, als er von der verfluchten Klippe gesprungen war, und hinaus aufs Meer schwimmen sollen, um zu ertrinken. Weshalb sollte er noch leben?
Welchen Grund habe ich zum Weiterleben?
Draußen hörte er die Bremsen eines Fahrzeugs quietschen. Er sprang vom Kotflügel, ging hinaus und sah Abby aus der Fahrerkabine ihres Trucks steigen.
»Haben Sie einen längeren Spaziergang gemacht?«, fragte sie
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