Camel Club 04 - Die Jäger
den Stoff angeht, den er genommen hat«, bekannte Bob, »kann’s natürlich sein, dass ich mich irre.«
Neugierig musterte Stone den Alten, aber der schien nicht gewillt zu sein, genauere Erklärungen abzugeben.
Bob setzte den völlig übermüdeten Stone im Ortskern an der Absteige ab. Er bot Stone Geld für dessen Beistand, aber der lehnte ab. Während er langsam die Treppe hinaufstieg, verfestigte sich bei ihm die Einsicht, trotz der nach ihm eingeleiteten Großfahndung bald aus Divine zu verschwinden, schlicht und einfach aus dem Grund, weil er Erholung brauchte.
KAPITEL 29
Bereits am nächsten Morgen hatte fast jeder Bürger Divines von Stones Heldentat erfahren. Offenbar hatte Bob Coombs jedem, dem er begegnet war, von der dramatischen Lebensrettung erzählt, und die Neuigkeit verbreitete sich in Windeseile.
»Der kühlste Kopf, den ich kenne«, erzählte Bob immer wieder.
»Hab gehört, er war in Vietnam«, sagte ein anderer Mann. »Da wird er gelernt haben, unter Stress die Ruhe zu bewahren.«
»Ein wahrer amerikanischer Held«, meinte eine Lady, ehe sie sich an eine Freundin wandte. »Zu dumm«, fügte sie leise hinzu, »dass er seine Energie an Willie Coombs verschwenden musste.«
Noch am Morgen kam Sheriff Tyree in Stones Zimmer, um ihm zu danken und zu gratulieren. »Willie ist ein anständiger junger Kerl, sieht man mal über die Pillen hinweg.«
»Er ist Bergmann, stimmt’s?«, fragte Stone.
»Woher wissen Sie das?«
»Er hat Narben, zerschundene Hände und Kohlenstaub in den Hautfalten. Ist seine Mutter benachrichtigt worden?«
»Shirley? Ich glaube nicht, dass es sie interessiert.«
Stone zog es vor, dazu keine Fragen zu stellen. »Bob Coombs sagte, sein Sohn – also Willies Vater – sei tot.«
»Ja. Ein Jagdunfall. Er hatte seine orangerote Weste nicht an, und dummerweise hat jemand ihn mit einem Hirsch verwechselt. Übrigens, Abby lässt Ihnen ausrichten, dass sie noch mehr Arbeit für Sie hat. Die übliche Bezahlung.«
»Na, dann schwirre ich mal gleich zu ihr.« Wegen der Nachrichten, die Stone am gestrigen Abend im Radio gehört hatte, fühlte er sich in Gegenwart des Gesetzeshüters noch unbehaglicher als sonst.
Als Stone in Rita’s Restaurant & Bar eintraf, hatte Abby ihm schon das Frühstück warmgestellt. Beim Eintreten lächelten die anderen Gäste ihm zu und winkten. Ein paar Bergarbeiter kamen zu ihm, klopften ihm auf die Schulter und bedankten sich für die Rettung ihres Kumpels.
»Wie fühlt man sich als Held?«, fragte Abby und goss ihm einen Becher Kaffee ein.
»Ich bin einfach nur froh, dass es Willie besser geht. Aber er hat wohl noch einen langen Weg vor sich. Offenbar ein Suchtproblem.«
»Wie bei den meisten Bergleuten. Eigentlich ist Willie ein tüchtiger Junge. Er und Danny haben an der Highschool zusammen Football gespielt. Damals waren sie die besten Freunde, aber dann haben sie sich zerstritten.«
»Warum?«
»Solange wir alle arm waren, ist alles gut gewesen. Aber später haben wir die Entschädigung bekommen, und auf einmal meinte Willie, Danny wäre ihm was schuldig. Wir haben ihm dann auch Geld gegeben, aber irgendwann damit aufgehört, weil er sich das meiste durch die Nase gezogen hat.«
Ein langer, dünner Mann näherte sich dem Tisch. Als einziger Anwesender trug er einen Anzug mit Krawatte. Sein Haar war modisch geschnitten, mit säuberlich gezogenem Scheitel. In den grauen Augen des Mannes spiegelte sich Wachsamkeit, und sein Gesicht hatte tiefe Falten, die ihm die Würde eines Gelehrten verliehen.
»Ben, das ist Charlie Trimble«, stellte Abby ihn vor. »Er ist Chef vom Divine Eagle, unserer Lokalzeitung.«
Nur mit äußerster Selbstbeherrschung konnte Stone sich davon abhalten, aufzuspringen und aus dem Restaurant zu fliehen.
»Ich würde Sie gerne im Zusammenhang mit dem Erlebnis interviewen, das sie mit Willie hatten, Ben«, sagte Trimble lächelnd. »Es ist eine erstaunliche Geschichte, die obendrein zeigt, dass wir bei uns wieder einen Freiwilligen Rettungsdienst einrichten müssen.«
Abby blickte Stone an. »Geht das in Ordnung?«
»Ach, ich hab doch nichts Besonderes getan«, sagte Stone bedächtig. »Ich bin nicht wild darauf, an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, nur weil ich jemandem geholfen habe.«
Trimbles Lächeln wurde breiter. »Und bescheiden ist er auch noch. Das wird sich in der Berichterstattung gut machen. Ich habe nur ein ganz paar Fragen, Ben. Wir können das Interview hier führen oder in meiner
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