Camel Club 04 - Die Jäger
schätze Sie als redlichen Zeitgenossen ein, der allerdings auf einem Vulkan sitzt. Vielleicht benötigen Sie über kurz oder lang dringender eine helfende Hand als jeder andere Beteiligte.«
»Ich hoffe, Sie irren sich. Trotzdem danke für Ihr Hilfsangebot.«
»Und ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie versuchen, Oliver Stone aufzuspüren. Dafür wünsche ich Ihnen kein Glück.«
»Das kann ich verstehen.«
»Nicht aus dem Grund, an den Sie jetzt denken.«
»Sondern?«
»In jener Nacht im Capitol-Besucherzentrum hatte er ein dreißig Jahre altes Scharfschützengewehr und eine völlig veraltete Zieloptik. Auf der anderen Seite stand eine Gruppe erprobter, bis an die Zähne bewaffneter, paramilitärischer CIA-Mitarbeiter mit einer Übermacht von sechs zu eins gegen uns. Wir kamen heil raus, von den CIA-Leuten aber kein einziger. So etwas habe ich noch nie erlebt, Knox. Und als SEAL war ich an fast jedem gefährlichen Schauplatz auf Erden im Einsatz. Oliver Stone ist der grundehrlichste Kerl, den es gibt. Er lässt einen nie im Stich. Er steht zu seinem Wort und wagt für seine Freunde das eigene Leben, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Aber sobald er eine Schusswaffe oder ein Messer in der Faust hat, ist er kein gewöhnlicher Mensch mehr. Er kennt Methoden des Tötens, von denen ich noch nie gehört habe. Falls Sie ihm also begegnen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nicht Sie es sind, der nachher noch auf den Beinen steht. Ich finde, das sollten Sie wissen.«
Finn beendete das Telefonat. Knox saß auf dem Stuhl und starrte zum Fenster hinaus, während sein Kugelschreiber auf dem Notizblock sinnlos Schlangenlinien zog.
Diese Mitteilungen Finns, wie interessant und faszinierend sie auch sein mochten, hätten für Knox’ Ermittlungen unbedeutend sein müssen.
Doch das Gegenteil traf zu.
Es schockierte Knox nicht, dass die CIA keine weiße Weste hatte. Das gehörte zur Natur der Sache. Doch obwohl Knox ein Veteran der Geheimdienstszene war, hatte er noch von keinem Fall gehört, dass einem Mann vom eigenen Heimatland, das ihm so viel verdankte, so übel mitgespielt worden war wie Stone.
Es gab das Richtige und das Falsche, obwohl die Grenzen verschwammen. Recht und Unrecht verteilten sich oft nach dem Gießkannenprinzip. Nirgends fanden sich einfache Lösungen. Ganz gleich, welche Richtung man einschlug, sei es der edle oder der schäbige Weg – stets verabscheute die Hälfte der Menschen das Ergebnis, während die andere Hälfte es begrüßte. Und das Schlimme war, dass beide mit ihrer Einschätzung in gewisser Weise richtiglagen.
Bei Knox erhärtete sich die Überzeugung, dass John Carr es verdiente, sein Leben als freier Mann führen zu dürfen – ganz gleich, was er an dem grauen, regnerischen Morgen vor einigen Tagen getan hatte. Aber diese Entscheidung lag nicht bei Knox. Seine Ermittlermentalität schrieb ihm vor, erst einmal die Informationen zu überprüfen. Das Weitere würde sich zeigen.
KAPITEL 34
Die Besuchszeit der Klinik war längst vorbei, doch Stone traf auf eine verständnisvolle Krankenschwester, die ihm den Zutritt zur Station erlaubte, nachdem er ihr die Zusammenhänge erklärt hatte.
»Ja, richtig«, sagte die Krankenschwester. »Dr. Warner hat uns davon erzählt. Meine Güte, wie kann jemand auf die Idee kommen, ein Herz mit einem Automotor wiederzubeleben?«
Jemand, der im Krieg gewesen ist.
Willie hing am Tropf. Kabel verbanden seinen Körper mit einem Monitor, auf dem Zahlen und Linien tanzten.
Als Stone eintrat, schlug Willie die Augen auf. »Scheiße, wer sind Sie?«, fragte er.
»Ich habe Ihrem Großvater geholfen, Sie herzuschaffen.«
Willie streckte die Hand aus. »Ach ja, Opa hat’s erwähnt. Ich glaube, ich verdanke Ihnen mein Leben.«
»Sie sehen aus, als ginge es Ihnen besser.«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mich viel wohler fühle.«
»Hat man Ihnen gesagt, wie lange Sie in der Klinik bleiben müssen?«
»Nein. Ich weiß noch nicht einmal, was mir überhaupt passiert ist.«
»Sie hatten eine Überdosis.«
»Ja, das weiß ich. Aber ich weiß nicht wieso.«
»Was wurde in Ihrem Blut gefunden?«
»Die Ärzte sagen, Oxycodon und noch anderer Stoff.«
»Das könnte hinkommen.«
»Aber das Zeug hatte ich gar nicht. Der Stoff ist sauteuer, es sei denn, man hat ein Rezept. Auf der Straße kostet eine einzige Pille zweihundert Kröten.«
Stone zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ans Krankenbett. Willie Coombs hatte braunes Haar und
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