Camel Club 04 - Die Jäger
kneten. Im Abstellschuppen hinter dem Haus ihrer Eltern hatte sie sich ein Atelier eingerichtet. Da hat ihre Mutter sie auch gefunden … Deshalb habe ich mich krankgemeldet. Nach der Beerdigung wollte ich zur Arbeit gehen, aber mein Kopf … oh Mann, mir war ganz meschugge.«
»Dafür habe ich Verständnis, Willie. Ich kann es wirklich verstehen.«
»Möchten Sie ein Foto sehen?«
Stone nickte.
Willie griff in die Schublade seines Nachtschränkchens und holte seine Brieftasche heraus. Er entnahm ihr ein Foto und reichte es Stone.
Auf dem Foto standen Willie und Debby Seite an Seite. Der hochgewachsene Willie überragte die zierliche Debby deutlich. Sie hatte sandblonde Haare, ein ansteckendes Lächeln und freundliche Augen.
»Dass sie eine nette Frau war, sieht man schon an ihrer Miene.« Willie nickte bedächtig, den Blick auf das Gesicht der Toten geheftet. Als Stone das Bild einige Zeit betrachtet hatte, meinte er: »Sie macht nicht den Eindruck eines Menschen, der zum Selbstmord neigt.«
»Ich hatte sie gefragt, ob sie mich heiraten will, und sie hatte Ja gesagt. Sie war so glücklich, wie man es sich nur vorstellen kann. Und als Nächstes hörte ich, dass sie tot ist.« Willies Gesicht bebte, und nun rannen ihm Tränen über die schmalen, blassen Wangen. »Erst nach ihrem Tod habe ich wieder zu Drogen gegriffen. Mir ist ja nichts anderes geblieben.«
»Haben Sie den Leuten erzählt, dass Sie heiraten wollten?«
»Nein. Ich hatte Debby gebeten, vorerst nichts zu sagen, bis ich Zeit gefunden hätte, Ringe zu kaufen. Damit wollte ich ihren Eltern zeigen, dass ich es ernst meine. Ich hatte fast genug zusammengespart. Meine Schicht im Bergwerk war gerade vorbei, als ich’s erfahren habe. Ich konnte es nicht fassen.«
»Um welche Tageszeit hat man sie gefunden?«
»Am frühen Morgen. Angeblich war sie da schon einige Zeit tot.«
»Und niemand hat den Schuss gehört?«
»Die Randolphs wohnen in einer kleinen Senke, und unmittelbare Nachbarn gibt’s keine.«
»Debby soll sich in einem Schuppen hinter dem Haus erschossen haben?«
»Ihre Mutter hat nichts mitgekriegt. Ohne ihr Hörgerät ist sie fast taub. Ihr Vater Toby ist Fernfahrer und war in Kansas unterwegs, als es passierte. Um den Schuss zu hören, hätte er Elefantenohren haben müssen.«
»Wessen Waffe wurde benutzt?«
»Tobys Zehnerkaliber.«
»Haben Sie Ihre Zweifel bei Sheriff Tyree angemeldet?«
»Bis mir die Zunge aus dem Hals hing. Aber er hat mir immer nur gesagt: ›Wo sind die Beweise, mein Sohn?‹ Auf der Waffe waren nur Debbys Fingerabdrücke und die ihres Vaters. Sie war allein. Niemand hatte ein Motiv, sie zu ermorden, also lautete die Schlussfolgerung, dass sie Selbstmord begangen hat. Tolle Logik.«
»Können Sie sich ein Motiv für einen Mord an Debby denken?«
»Sie hat nie einem Menschen etwas Böses getan. Sie war das netteste Mädchen, das man sich vorstellen kann. Und sie bedeutete mir alles.«
»War sie am Tag vor ihrem Tod nervös oder gereizt?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Wann hatten Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
»Am Vorabend gegen dreiundzwanzig Uhr. Nach meinem Gefühl war sie gut drauf.«
»Überrascht es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass ihr Tod auch Danny Riker tief erschüttert hat?«
Willie wischte sich mit Papiertaschentüchern über die Augen, knüllte sie zusammen und warf sie in den Abfallkorb. »Ich glaub nicht.«
»Nicht?«
»Die beiden hatten sich ein paar Mal getroffen, bevor Debby und ich zusammenkamen. Aber Danny hatte sich mit fast jedem Mädchen von der Highschool verabredet, also war das keine große Sache.«
»Danny liegt auch hier in der Klinik.«
»Tatsache? Weshalb denn?«
»Ein paar Kerle haben ihn schlimm verprügelt. Fällt Ihnen dazu etwas ein?«
»Nein. Danny und ich sind nicht mehr so eng befreundet.«
»Aber Sie waren früher Freunde.«
»Die besten Freunde.« Willie schwieg kurz. »Er hat mich besucht.«
»Wann?«
»Gestern Nachmittag. Wir haben uns unterhalten. Über die Highschool, Football, alles Mögliche.«
»Sie haben im selben Team gespielt?«
Willie grinste, und unversehens sah Stone den jungen Mann unter dem erschöpften Gesicht. »Wir waren das Team! Danny schaffte im letzten Jahr siebenunddreißig Treffer und ich achtundzwanzig. Wir hätten beide für die Virginia Tech spielen können. Aber dann bekam ich eine Anzeige, weil ich bekifft gefahren war, und flog von der Highschool, und Danny verletzte sich am Knie, und die herrlichen Zeiten waren
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