Camel Club 04 - Die Jäger
ein attraktives Gesicht, doch um Augen und Lippen waren bereits zahlreiche kleine Falten zu sehen. Er sah Danny Riker ziemlich ähnlich, wirkte aber verschlissener.
»Was hatten Sie denn genommen?«, fragte Stone.
»He, sind Sie so was wie ’n verdeckter Ermittler?«
»Wäre ich einer, läge jetzt ein ziemlich eindeutiger Fall von Zeugenbeeinflussung vor.«
Willie seufzte tief. »Meistens besorge ich mir Fentanyl-Pflaster, zerschneide sie, drücke die Flüssigkeit raus, erhitze sie und spritze sie mir in den Fuß. Hat ’ne geile Wirkung, ähnlich wie bei Heroin.«
»Fentanyl?«, wiederholte Stone. »Im Drogenhandel nennt man es Chinaweiß, nicht wahr?«
»Sie scheinen sich mit Designerdrogen ja ganz gut auszukennen.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Na ja, mein Rezept war abgelaufen. Deshalb habe ich mir kurzerhand ein bisschen herkömmliches Crack von der Straße besorgt. Ich hatte damit noch nie große Probleme.«
»Bob meinte auch, es war Crack.«
Willie wirkte überrascht. »Zum Henker, wenn er es Ihnen schon gesagt hat, warum fragen Sie dann?«
»Ich lasse mir Informationen gern aus unvoreingenommener Quelle bestätigen.«
»Sind Sie wirklich kein Bulle?«
»Nein. Hören Sie, Crack ist ein Stimulans. Ihre Pupillen hätten sieben oder acht Millimeter Durchmesser haben müssen. Sie waren aber so klein wie Stecknadelköpfe.«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich dazu sagen soll.«
»Wie können Sie Crack nehmen und dann im Bergwerk arbeiten?«
»Ich hatte ein paar Tage frei.« Hastig fügte Willie hinzu: »Ich war am Krankfeiern.«
»Sind Sie ganz sicher, dass Sie gestern Abend kein Oxycodon geschluckt haben?«
»Ich würd’s nicht mal nehmen, wenn ich welches hätte.«
»Warum nicht?«
»Dr. Warner hat mir vor Jahren welches verschrieben, als ich mir im Bergwerk ’ne Armverletzung zugezogen hatte. Aber es ist ’ne allergische Reaktion aufgetreten, deshalb nehme ich das Scheißzeug nicht.«
»Haben Sie etwas anderes genommen? Können Sie sich erinnern, was Sie gegessen oder getrunken haben?«
»Ich hab ein paar Bierchen geschlappt. Und aus Rita’s Restaurant hatte ich mir was zu essen besorgt.«
Stone spitzte die Ohren. »Was denn?«
»Burger, Pommes und gegrillte Nachos.«
»Sie haben also zu Abend gegessen, etwas getrunken und dann Crack genommen?«
»Ja. Ich wurde zappelig und quasselte vor mich hin, aber ich war ja mit mir allein, also war es egal. Bevor ich mich schlafen legte, hab ich dann noch Tylenol genommen. Aber ich nehme sowieso immer Tylenol, jeden Abend. Ich bin erst vor kurzem dreiundzwanzig geworden, aber an manchen Tagen fühle ich mich wie sechzig.«
»Tylenol?«
»Ich weiß noch, dass irgendwann Opa aufgekreuzt ist. Von da an lief alles völlig aus dem Ruder.«
»Wer weiß, dass Sie jeden Abend Tylenol nehmen?«
»Oh, es ist nicht so, als hätte ich ein Geheimnis draus gemacht. Hier bei uns schlucken viele Leute Pillen.«
»Ja, allmählich komme ich dahinter«, meinte Stone ironisch. »Also konnte es praktisch jeder wissen?«
»Auf was wollen Sie eigentlich hinaus, Mister?«
»Wenn jemand das Tylenol gegen Oxycodon ausgetauscht hat, wäre das eine Erklärung, wie das Mittel in Ihr Blut gelangt ist. Wie viele haben Sie genommen?«
»Zwei Pillen. Glaube ich wenigstens.«
»Waren danach noch welche im Fläschchen?«
»Ein paar.«
»Erinnern Sie sich noch, ob die Pillen wie Tylenol-Tabletten aussahen?«
Willie setzte sich auf, straffte dabei den Schlauch des Tropfs und die Monitorkabel. »Wollen Sie damit andeuten, jemand hätte versucht, mich zu vergiften? Verdammt, wer sollte so was tun?«
»Das müssten Sie besser wissen als ich, Willie.«
»Ich bezweifle, dass irgendjemand mich wegen meines Wohnmobils, der Gewehre und der Jagdarmbrüste ermorden will. Sonst besitze ich ja kaum etwas.«
»Ist jemand sauer auf Sie?«
»Weswegen?«
»Haben Sie jemanden verärgert? Irgendwem das Mädchen ausgespannt?«
»Ich hatte ’ne Freundin«, sagte Willie. »Aber jetzt ist sie tot.«
»Debby Randolph.«
»Woher wissen Sie das?«
»Divine ist ein kleiner Ort. Debby hat Selbstmord begangen, habe ich gehört.«
»Ja, so heißt es jedenfalls.«
»Sie glauben nicht daran?«
»Aus welchem Grund hätte sie in den Tod gehen sollen? Das erklären Sie mir mal.«
»In dem Kunsthandwerkladen habe ich einige ihrer Arbeiten gesehen. Sie hatte Talent.«
Plötzlich spiegelte sich Stolz auf Willies Miene. »Sie konnte zeichnen und malen, oh ja. Und Skulpturen aus Ton
Weitere Kostenlose Bücher