Camel Club 04 - Die Jäger
verärgert haben. Die Aktenlage bewies, dass die untere Kommandoebene keine Einwände gehabt hatte, Carr den höchsten aller amerikanischen Orden an die Brust zu heften. Es war nur an Hayes gescheitert. Was hatte Carr getan, dass er diese Art der Sabotage verdient hatte? Dass er sich einen Groll zugezogen hatte, der offenbar auch nach mehr als dreißig Jahren fortbestand?
Knox sah sich einem Dilemma gegenüber. Führte er den Auftrag erfolgreich aus und fand Carr, trieb er ihn streng genommen seinem Henker in die Arme. Ein Teil von Knox’ Verstand sagte ihm, er habe nichts mit dieser Sache zu tun; dieser Konflikt gehe ihn nichts an. Er konnte Carr seinem Schicksal überlassen und in Pension gehen. Eine Romreise im Sommer, Segeln im Mittelmeer, Wein, gutes Essen. Seine Kinder.
Wäre bloß das verfluchte Aneurysma in Pattys Kopf nicht geplatzt …
Ein anderer Teil seines Innern jedoch war völlig anderer Meinung. Falls Carr die beiden Männer erschossen hatte, musste er dieser Verbrechen überführt und entsprechend bestraft werden. Aber wenn man erst einmal duldete, dass selbstgefällige und hinterhältige Männer wie Hayes die Justiz in die eigene Hand nahmen und ständig Gott spielten, aus allen möglichen und unmöglichen Gründen, dann gute Nacht. Genauso gut könnte man die Säulen der Demokratie niederreißen und einen neuen Stalin ans Ruder lassen. Dann war die alte Union der Vereinigten Staaten am Ende. Und daran mochte Joe Knox nicht die Schuld tragen. Vor zwanzig Jahren hätte er vielleicht anders gedacht, aber nicht heute, nicht jetzt. Man konnte es als seltsam oder ein wenig altmodisch betrachten, aber heutzutage glaubte er stärker an die Prinzipien, die Amerika zu Amerika gemacht hatten, als zu Anfang seiner Laufbahn. Damals war er ein unerfahrener, rotznäsiger Springinsfeld gewesen, der frisch von der Militärakademie kam und scharf darauf war, sich als Geheimdienstler einen guten Ruf zu erwerben. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte er alles getan, auch Dinge, die hart an der Grenze der Vertretbarkeit gewesen waren, und manches, was diese Grenze überschritten hatte. Rückblickend war er nicht allzu stolz auf diesen Aspekt seiner Karriere, fand jedoch einen gewissen Trost darin, dass seine Arbeit auch Menschenleben gerettet und dass er zu guter Letzt doch noch die Kurve gekriegt und sich auf die Seite der Guten geschlagen hatte. Knox kannte zahlreiche Kollegen, die diesen letzten Schritt nicht geschafft hatten. Einer von ihnen war Hayes.
Knox war zynisch, das war ihm bewusst. Es war unmöglich, diesem Beruf so lange nachzugehen wie er, ohne dem Zynismus zu verfallen. Erfahrungen zu sammeln, ohne zynisch zu werden, war ein deutliches Anzeichen, dass das Gehirn Stockschimmel hatte und dass man nichts mehr raffte.
Er zog das Jackett an, hielt die Brieftasche in einer, den Schlüssel des Mietwagens in der anderen Hand. Er könnte mir nichts, dir nichts aus der Sache aussteigen und sich ein Versteck in den Bergen suchen. Dann konnte Hayes sich einen anderen Lakaien suchen, der die Drecksarbeit für ihn erledigte. Es standen genug Leute Schlange. Und wenn Knox ehrlich zu sich selbst war, schwand sein Eifer, Carr zu finden, umso stärker, je mehr er über diesen Mann erfuhr und je deutlicher sich sein Verdacht hinsichtlich der wahrscheinlichen Beweggründe verfestigte, aus denen Hayes einen Vietnamhelden demontiert und um die verdiente Anerkennung betrogen hatte.
Knox ging zum Geländewagen und überlegte, ob er ein zweites Mal versuchen sollte, sich in der Imbissstube umzuhören. Er entschied, dass es sich lohnen könnte, verschob es jedoch auf später. Zuerst wollte er eine Spritztour durch die Umgebung machen und sehen, was ihm die Nacht verborgen gehalten hatte. Dass dazu auch John Carr zählte, bezweifelte er. Anfangs war es ihm nur darum gegangen, den Mann zu finden. Jetzt hoffte er beinahe, dass es nie dazu kam. Und nicht nur, weil ein Zusammenstoß mit Carr, dem alten Grizzlybären einer von Regierungsseite gelenkten Killertruppe, für Knox voraussichtlich böse enden würde. Es hatte vielmehr mit Gerechtigkeit zu tun, einem Grundwert, den Knox noch nicht völlig vergessen hatte, selbst wenn seine Bosse davon anscheinend nichts mehr wussten.
KAPITEL 47
»Da tuckert er los«, stellte Annabelle fest. Aus dem an einer Ecke geparkten Lieferwagen beobachteten sie und Caleb, wie Knox im Geländewagen losfuhr.
»Was nun?«, fragte Caleb.
»Wir folgen ihm.« Annabelle hielt ein kleines Gerät in
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