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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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beobachten, »Arschgesichter« zuschreit. Aber die zucken nicht mal mit der Wimper. Ich sage ihr zum zwanzigsten Mal, sie soll ruhig sein, doch sie regt sich noch mehr auf.
    »Drei Tage an diesem beschissenen Ort, und dann schicken sie mich vor der Modenschau nach Hause.«
    Sie schlägt ein paar Mal mit der Faust auf das Armaturenbrett, beginnt schließlich zu weinen.
    »Ach komm, das ist nicht das Ende der Welt«, versuche ich es, aber sie fängt wieder an. Sie haben sie im letzten Moment ausgeschlossen, ohne einen Grund, diese Dreckskerle. Und das ihr, die auch in den Katalogen war. Heute Abend, wo so viele wichtige Leute da waren, Leute, denen sie hätte auffallen können. Heute Abend hat man sie rausgeworfen.
    Ich höre ihr zu, doch gleichzeitig schaue ich in den Rückspiegel und sehe, dass die beiden Männer die Taschenlampen ausmachen und zwischen den geparkten Autos verschwinden. Ich kann es genauso wie die blöde Blondine, die ich nach Aberdeen kutschieren muss, nicht abwarten, von hier wegzukommen.
     
    Als ich an dem Holzwappen mit den drei Pfeilen langsamer fahre, klappt Raffaela mit dem lackierten Nagel des Zeigefingers ihr Handy auf. Sie lehnt den Kopf an die Aufhängung des Sicherheitsgurts und stößt laut die Luft aus, während sie wartet, dass sich jemand meldet.
    Ich sehe, wie sich ein langsamer Schatten zwischen den großen Eichen durchschiebt, die wir gerade hinter uns gelassen haben.

    Wenn es ein Auto ist, hat es die Scheinwerfer ausgeschaltet. Es verschwindet innerhalb weniger Sekunden aus meinem Gesichtsfeld, hinter einem grasbewachsenen Vorsprung, der an den Bug eines Schiffs erinnert.
    Raffaela fängt schon nach den ersten Worten wieder an zu weinen.
    »Was ist bloß in die gefahren, Papa? Die haben mich rausgeworfen, weißt du? Wieso nicht? Du musst sofort mit denen sprechen. Sag ihnen, du kriegst sie am Arsch, diese Typen. Zeig ihnen, dass du Eier hast. Was für ein Scheiß, die müssen Angst vor dir haben, sonst behandeln die mich wie eine Null, hast du verstanden? Nein, ich will mich nicht beruhigen, alle waren da heute Abend. Und sie haben mich rausgeworfen. Verflucht noch mal! Was soll ich denn jetzt machen, scheiße?«
    Ich würde am liebsten so tun, als wäre ich taub. Ihr hingegen ist es vollkommen egal, dass ich zuhöre. Sie ist außer sich, redet ohne Punkt und Komma, nur von Schluchzern unterbrochen.
    Ich sehe nach draußen. Die Nebelschleier auf den kahlen Feldern können nur mit Mühe halten, was vom Licht des Tages bleibt.
     
    In manchen Momenten vermischt sich das Licht der Scheinwerfer mit dem Nebel, in anderen fahren wir durch dichtes Dunkel, das auf der Windschutzscheibe lastet, als wollte es sie eindrücken. Und die ganze Zeit über hält diese Frau ihren Vater am Telefon fest. Sie beleidigt ihn, fleht ihn an, droht ihm.
    »Die Karte ist gleich leer, ruf mich zurück, ruf mich zurück, habe ich gesagt. Ruf mich zurück.«
    Ich höre alles, denke aber an etwas anderes. Eben hat uns ein Auto überholt. Zwei Personen saßen darin, und ich habe gemerkt, dass sie zu uns rübergesehen, mit ein paar Blicken unser Auto ausgekundschaftet haben. Und jetzt bin ich sicher, dasselbe Auto überholt zu haben, das im Dunkel am Straßenrand stand.

    Aus dem lichtlosen Nichts taucht ein Wagen auf. Kleine Scheinwerfer, er ist noch weit weg.
    »Wie lange brauchst du denn, um mich zurückzurufen?«, beschwert sich Raffaela. »Ich will wissen, warum die mich so behandelt haben, nach drei Tagen Proben in diesem Drecksnest. Wir nehmen uns einen Rechtsanwalt, und dann kriegst du sie noch am Arsch, okay? Sag denen, dass du ihnen alle Lokale zumachst, dann sehen wir mal. Was heißt das, ich soll mich beruhigen? Die haben mich schlimmer behandelt als eine Putzfrau, als die letzte Nutte, verstehst du? Mich, deine Tochter. Was erlauben die sich?«
    Die Scheinwerfer sind näher gekommen, sie sind rechteckig. Es ist das Auto von vorhin, ich irre mich nicht. Irgendjemand verfolgt uns, seit wir Fyr Glennan verlassen haben.
    Doch diesmal überholt der Wagen uns nicht. Er bleibt hinter uns, die Lichter in unserem Rückspiegel.
    Ich fahre schneller und hoffe, so bald wie möglich die A90 zu erreichen.
     
    Die wenigen Häuser, an denen wir vorbeikommen, sind nur durch die Laterne an der Tür zu erahnen. Sie liegen so gut wie nie an der Straße, nur die gleichförmige Dunkelheit lässt sie näher erscheinen.
    Irgendwann überkommt mich die verheerende Gewissheit, dass diese Finsternis und diese Autobahn nie

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