Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
Vom Netzwerk:
Aufgaben zugeteilt, es tut mir leid.«
    »Es ist eine Null-Risiko-Operation, Dottor D’Intrò.«
    »Es gibt keine Null-Risiko-Operationen. Und wenn Sie wirklich über Risiken reden wollen, erinnern Sie sich daran, wie viele Sie auf sich genommen haben.«
    »Daran erinnere ich mich sehr gut.«
    »Dann kommen Sie nach Italien zurück, sofort.«
    »Aber warum?«
    »Weil Ihre Lage schon mehr als kritisch ist. Verschlechtern Sie sie nicht noch weiter.«
    D’Intrò bricht das Gespräch ab, ohne noch eine einzige Sekunde zu warten. Doch es ist nicht das, was mir das Blut stocken lässt.
    (Kommen Sie nach Italien zurück. Sofort.)
    Ich weiß nicht, ob das ein Befehl war. Es schien eher ein Rat.

    Ich gehe zum Ufer, löse einen Schritt nach dem anderen aus dem Sog des schlammigen Sands. Die Sonne geht langsam unter, und noch der kleinste Sandhügel wirft einen langen spitzen Schatten.
    Die Fenster des Fyr Glennan Cottage blitzen im Licht. Ein paar Möwen fliegen vom Dach hoch, kreischend, weil sie Mühe haben, gegen den Wind anzukommen, und der goldene Spiegel zu meinen Füßen scheint rasch zu oxidieren, beginnt zu erzittern, als würde sich weit, sehr weit hinter dem Horizont und den rötlichen Flammen der Bohrinseln ein großes Reich des Eises auflösen.
    (Kommen Sie nach Italien zurück. Sofort.)
    Ich sehe nur die ersten Rinnsale.
     
    Ich will diesen Ort auf jeden Fall verlassen, bevor es dunkel ist, aber vorher würde ich gern noch zur Toilette gehen. Ich hoffe, dass es ein echter Drang ist, und nicht die Wiederkehr meines Leidens. Zum Glück sind alle drinnen bei der Modenschau, und im Garten des Cottages ist niemand. Ich betrete eine Hütte aus grauem Stein neben dem Pavillon des Gewächshauses.
    Die Toilette ist besetzt, hinter der Tür hustet jemand. Ich wasche mir das Gesicht am Waschbecken und warte (es ist wieder die Blasenentzündung, das weiß ich).
    Ich höre noch lauteres Husten, dann öffnet sich die Tür (endlich). Die blöde Blondine: Sie ist zusammengekrümmt, hält sich an der Klinke fest und fällt praktisch auf mich drauf. Sie ist barfuß, die Jeans sind aufgeknöpft, und in den Spitzen ihres glatten Haars klebt irgendwas. Als sie sich nach vorn wirft, um sich am Wachbecken festzuhalten, hebt sie ihren Blick zu mir. Ich bin nicht sicher, ob sie mich wiedererkennt, doch sie schaut mich unverwandt an. Vielleicht fragt sie sich, ob sie sich wundern soll oder nicht. Mehr oder weniger wie ich.
    »Hilf mir«, sagt sie auf Italienisch. Ihre Lippen zittern.
    Ich packe sie unter den Achseln, damit sie sich gegen die Wand lehnt und auf den Beinen halten kann.

    »Hilf mir, bitte«, sagt sie noch einmal.
    »Was hast du?«
    Sie antwortet mir nicht. Ich reiße Papier von der Rolle, säubere ihren Mund und die Haare von dem Brei aus Speichel und gekautem Essen.
    »Bring mich bitte weg von hier.«
    Das kann ich nicht, was ich ihr aber nicht sage. Sie hustet wieder, richtet ihre Bluse und die Träger des BH.
    »Ich will weg, einfach weg.«
    Ich versuche sie zu beruhigen, doch sie wiederholt nur, dass sie weg will. Ich überrede sie zu ein paar Schritten an der frischen Luft, denn hier drinnen ist ein grauenhafter Gestank, man erstickt fast. Sie lässt sich barfuß auf den Kies hinausführen, wie ein Roboter. Dann knöpft sie sich die Jeans zu, seufzt und sieht mich genauer an.
    »Ich habe dich schon mal gesehen.«
    »Stimmt, in der Wohnung von Dottor D’Intrò.«
    Sie streicht sich die Haare zurück und mustert mich eingehend.
    »Bist du von der Polizei?«
    Ich nicke. In den Salons des Cottage brandet Beifall auf, der das unbarmherzige Hämmern der Musik beinahe übertönt.
    »Und was machst du hier?«
    »Vertraulicher Auftrag.«
    Sie denkt einen Moment darüber nach.
    »Nein, ich weiß schon. Mein Vater hat dich geschickt, um mich zu überwachen.
    »Dein Vater?«
    » Dottor D’Intrò , wie du ihn nennst.«
     
    »Lass uns von hier wegfahren, lass uns an einen Ort fahren, wo es ein Hotel und einen Flughafen gibt. Ich bin jetzt schon drei Tage unter Schafen und Pferden.«
    Wir steigen ins Auto, und der Gestank der Ställe bleibt draußen.

    »Ich kann dich höchstens bis nach Aberdeen bringen.«
    »Ist mir recht, ist mir alles recht, lass uns nur von hier abhauen.«
    Am Eingangstor von Fyr Glennan bewegen sich zwei Taschenlampen. Der vom Wind leer gefegte Himmel ist mondlos.
    »Ich heiße übrigens Rosa.«
    »Raffaela«, sagt sie, bevor sie das Fenster aufmacht und den beiden Männern, die unsere Abfahrt

Weitere Kostenlose Bücher