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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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fällt ein, dass ich als Heranwachsende alles getan hätte, um eine von ihnen zu sein. ( Hat man dir je gesagt, dass du Model werden könntest? Bestimmt nicht, dazu fehlen mir mindestens zehn Zentimeter.)

    Wieder dieses Gesicht. Ein Gesicht ohne Namen, doch jetzt plötzlich fällt es mir leicht, mich daran zu erinnern, wer das ist. Aber ja, sie war in dem Katalog, den ich vorhin durchgeblättert habe. Perfektes Oval, schneeweiße Zähne, glänzendes Haar. Es ist diese blöde Blondine (was für eine dumme Kuh!). Es ist die kleine Freundin von D’Intrò (was für ein Zufall). Aber nein, so sehr nun auch wieder nicht, es ist klar, dass so eine als Fotomodell arbeitet. (Ja, trotzdem, wenn man bedenkt: Was für ein Zufall .)
    Die Lederstiefel mit den Strümpfen, die bis über die Knie gehen, würden bei einer Frau über dreißig und über fünfzig Kilo vulgär aussehen (ich bin in beiden Kategorien an der Grenze), doch sie trägt sie mit der richtigen Dosis Frechheit, das muss ich zugeben.
    Um mich von meinem Film abzulenken, kommt Mike mit zwei Gläsern eines fruchtigen Aperitifs. Dieser Typ würde nicht mal aus einem Müllzerkleinerer mit einem zerknitterten Hemd klettern.
    »Mr. Ferrera lässt Ihnen mitteilen, dass das Treffen morgen früh stattfindet. Um neun«, murmelt er und lächelt dabei einer Gruppe von Jungs auf der anderen Seite des großen Tischs in der Mitte zu.
    Überrascht tupfe ich mir mit einer Serviette den Mund ab und gebe acht, meinen Lippenstift dabei nicht zu verschmieren. Was Mike zwingt, mehr Zeit mit mir zu verbringen, als sein Arbeitsplan eigentlich gestattet.
    »Haben Sie mich verstanden?«
    »Ich habe sehr gut verstanden.« Ich stehe auf und nehme meine Tasche. Der tüchtige Mike begleitet mich diskret hinter das enorme Azaleenbukett.
    Nur dass morgen um neun für meine Pläne zu früh ist.
    »Könnte ich mit Mr. Ferrera sprechen?«
    »Das ist nicht möglich.«
    »Nur ein paar Worte.«
    »Entschuldigen Sie mich, aber die Vorpremiere für die Presse fängt gleich an.«

    »Eine Minute.«
    »Sie zwingen mich, unhöflich zu werden.«
    Ich ziehe meine Jacke an, entschuldige mich und gehe hinaus.
     
    Ich habe das Gefühl, auf einem goldenen Spiegel zu gehen.
    Ich sehe mein Spiegelbild vor dem orangefarbenen Himmel. Mit dem ins Gesicht gedrückten Hut und dem bis zur Nase gezogenen Schal erkenne ich mich nicht, oder vielleicht möchte ich das lieber so. Die Flut und ein kräftiger Wind haben alle aus der kleinen Bucht vertrieben. Nur ich bin da. Seit einer halben Stunde laufe ich herum, das Handy am Ohr, auf der Suche nach einer Stelle, wo es ein Netz gibt. Und auf der Suche nach Hauptkommissar D’Intrò.
    »Da Sie sich herablassen, mich anzurufen, erwarte ich große Neuigkeiten«, meldet er sich direkt.
    »Die Neuigkeiten sind sehr schlecht. Unser Mann hat mich verarscht. Er hat keinen guten Tipp, er kann uns nicht dahin bringen, wo wir hinwollten. Er hat alles erfunden.«
    Sein einziger Kommentar ist ein Brummen. Und ich gehe nicht in weitere Details.
    »Kurz gesagt, er hat mich als Schutz benutzt, um sich in Sicherheit zu bringen, im Ausland. Er hat sich einen guten Plan ausgedacht, aber der ist nicht aufgegangen.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine damit, dass er versucht hat, mich loszuwerden, aber dass wir ihn uns morgen schnappen.«
    Während ich D’Intrò von Blackdog und neun Uhr morgen früh erzähle, sehe ich mich in der gespiegelten Welt, als würde ich mit dem Kopf nach unten hängen.
    Bevor er mir sagt, was er zu sagen hat, räuspert er sich in aller Ruhe.
    »Nein, das geht nicht.«
    »Was heißt das?«
    »Das heißt, dass es nicht möglich ist, innerhalb von zwölf Stunden eine Operation im Ausland zu organisieren.«

    »Wir müssen es tun, Dottor D’Intrò.«
    »Sie sind nicht in der Position, mir zu sagen, was wir tun müssen.«
    »Entweder morgen, oder wir kriegen ihn nicht mehr.«
    »Sie haben doch beschlossen, ihm zu vertrauen. Sie wussten sehr gut, dass ich Ihren Arsch nicht mehr schützen würde.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt: Kommen Sie zurück nach Italien und geben Sie es auf.«
    »Nach Italien zurückkehren? Aber er hat die beiden Mädchen umgebracht.«
    Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube am anderen Ende ein eisiges Lachen zu hören.
    »Das weiß ich. Und ich bin froh, dass auch Sie davon überzeugt sind … jetzt .«
    »Es genügen ein paar Leute.«
    »Ein paar Leute? Was Sie alles zu wissen glauben. Außerdem sind meinen Leuten schon andere

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