Camp Concentration
mir klar, wie sehr ich mir eine Fortsetzung dieses Quizprogramms wünsche. Gerade jetzt, wo mich andere Dinge viel mehr interessieren (ich plane, eine echte Aktualitätensammlung in Georges ungenutztem Theaterraum anzulegen; ich arbeite an einigen Gedichten in deutscher Sprache; ich tüftle an Argumenten gegen Lévi-Strauss herum), gerade jetzt berichte ich hier von der einen Stunde am Tag, die ich an dieses erzwungene Frage-und-Antwort-Spiel verschwende! Warum?
Die Antwort ist einfach: Ich bin einsam. Nur im Speisesaal kann ich mich mit den andern unterhalten.
46.
Zwischen zwei Tests habe ich heute Schipansky gefragt, auf welchem Gebiet er zusammen mit Skilliman gearbeitet habe. Er antwortete mit ein paar doppeldeutigen technischen Floskeln und glaubte wohl, mich damit ins Bockshorn jagen zu können. Als ich ihm eine Retourkutsche verpaßte, strömte er plötzlich vor Vertraulichkeit über.
Es scheint, daß Skilliman sich mit dem Projekt einer ›geologischen Bombe‹ befaßt hat, die etwas Ähnliches, allerdings in viel größerem Ausmaß, bewirken soll, wie es seinerzeit unbeabsichtigt am Mohole passiert ist. Er will damit neue Gebirgsmassive entstehen lassen. Der faustische Drang strebt stets in schwindelerregende Höhen.
Nachdem ich eine Weile geschwiegen und in Gedanken dort oben Edelweiß gepflückt hatte, versuchte ich vorsichtig, die möglichen moralischen Einwände gegen solche Forschungsprojekte zur Sprache zu bringen. Steht, so fragte ich, jedem Studenten das Recht zu, in die Geheimnisse des Kataklysmus eingeweiht zu werden? Schipansky war wie vom Schlag gerührt.
Um einzulenken, versuchte ich Bobby ins Gespräch zu ziehen, indem ich mich auf seine früher geäußerte Ansicht über bakteriologische Waffen bezog. Wäre, so fragte ich, der Einsatz geologischer Waffen nicht noch schlimmer und verantwortungsloser? Bobby wußte darauf keine Antwort. Das sei nicht sein Forschungsgebiet. Schließlich befasse man sich hier im Lager Archimedes mit der ›neuen Wissenschaft‹; moralische Probleme hätten etwas mit der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu tun, nicht mit der Wissenschaft selbst. (Und ähnliches Geschwätz!) Schipansky taute währenddessen kein bißchen auf. Bei ihm hatte ich tatsächlich den falschen Knopf gedrückt.
Damit waren die Tests für heute vorbei. Als Schipansky das Büro verlassen hatte, wurde Bobby so ärgerlich, wie es ihm seine Frohnatur überhaupt erlaubt. »Da haben Sie wirklich etwas Schreckliches angerichtet! Sie haben den armen Jungen völlig verstört!«
»Hab’ ich nicht!«
»Doch, haben Sie!«
»Regen Sie sich wieder ab!« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Sie sehen immer nur die Schattenseiten.«
»Ich weiß«, sagte er düster. »Ich wehre mich dagegen, aber manchmal kann ich eben nicht anders.«
47.
Beim Mittagessen kam Schipansky an meinen reichbeladenen Tisch. »Ich möchte wirklich nicht stören, aber ...« Diese Bescheidenheit! Als ob er bei der geringsten ablehnenden Geste meinerseits vor Scham über seine Kühnheit in die Erde versinken wollte.
»Sie stören überhaupt nicht, Schipansky. Ich freue mich, wenn ich mit jemand sprechen kann. Ihr Neuen seid nicht halb so gesellig wie die letzte kleine Schafherde.« Das war mehr als eine höfliche Bemerkung. Ich bin beim Essen jetzt oft allein. Heute waren außer Schipansky noch drei seiner Kollegen im Speisesaal, aber sie blieben unter sich und murmelten Zahlen in ihre recht bescheidene Pizza.
»Sie empfinden sicher nur noch Verachtung für mich«, sagte Sch., während er unlustig in der kalten Spinatsuppe herumrührte. »Sie müssen mich für blöd halten.«
»Nach unseren gemeinsamen Tests bestimmt nicht!«
»Tests, Tests! Da hab’ ich immer gut abgeschnitten. Ich meine etwas anderes. Sehen Sie, im College sind Leute wie Sie, ich meine Leute, die geisteswissenschaftliche Fächer studieren, immer der Meinung, jemand, der sich für die Naturwissenschaft entschieden hat, hätte keine ...« Er schob die trübe Suppe zurück.
»Keine Seele?«
Er nickte und starrte noch immer die Suppe an. »Aber das ist nicht wahr. Wir haben Gefühle wie jeder andere auch. Vielleicht zeigen wir sie nur nicht so offen. Für Leute Ihres Faches ist es leicht, von Gewissen und dergleichen zu sprechen. Schließlich wird Ihnen nach dem Examen niemals ein Jahresgehalt von 25 000 Dollar geboten.«
»Da muß ich Ihnen aber widersprechen. Viele meiner Studienkameraden, die eigentlich Schriftsteller oder Maler werden
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