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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Schumacher
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liebes Kind! Sie scheinen keine hohe Meinung von mir zu haben.
Ich nehme seit vierzig Jahren die Beichte ab, und wenn ich etwas herausbekommen
will, weiß ich inzwischen, wie ich es anstellen muss.«
    »Und? Was hat er gesagt?«, fragte Antonia ungeduldig.
    »Leider nichts Genaues. Immer wieder beteuerte er: ›Ich kann es
nicht sagen, aber es geht um ein Menschenleben!‹ Dann ist er in Tränen
ausgebrochen und fragte mich: ›Don Orione, was soll ich tun?‹«
    Don Orione zögerte. Antonia fasste ihn aufgeregt beim Arm.
    »Und? Was haben Sie gesagt?«
    Don Orione sah hinab auf seine schwarzen Schuhe. Er zögerte ein
wenig, bevor er antwortete.
    »Ich habe ihm gesagt, er könne mir vertrauen, und ihn gefragt, ob es
um Ugo ginge. Da ist er aufgesprungen und wollte weglaufen … Ich bin also
hinter ihm her und habe auf ihn eingeredet, zur Polizei zu gehen und dort
auszusagen. Er hat es versprochen.«
    »Und er hat nichts Konkretes gesagt? Wo der Junge ist oder ob er
selbst etwas mit der Entführung zu tun hat?« Antonia sprach jetzt so laut, dass
es durch die Kirche hallte.
    »Piano! Piano!« Don Orione wies erschrocken auf einige Gläubige, die
in den Bänken saßen oder betend vor den Seitenaltären knieten. Dann flüsterte
er: »Nein! Er schien es nicht zu wissen. Ich habe ihm gesagt, er solle trotzdem
umgehend zur Polizei gehen. Er hat mir sein Wort gegeben.«
    Don Oriones Gesicht hatte sich vor Aufregung gerötet.
    »Ich habe dann den Commissario angerufen, der für den Fall zuständig
ist. Aber Andrea ist nicht bei der Polizei erschienen. Und heute Morgen war
seine Verlobte bei mir, Claudia. Sie war außer sich. Andrea ist gestern Abend
nicht nach Hause gekommen. Sie wusste, dass er zu mir wollte, aber er ist
danach nicht zurückgekommen. Sie macht sich Sorgen.«
    Antonia dankte Don Orione für die Information und ging eilig auf den
Vorplatz der Kirche. Dort wählte sie die Nummer der Questura und fragte, ob
sich inzwischen ein gewisser Andrea Rossi in der Entführungssache Ugo
Bayer-Falieri gemeldet habe. Der Commissario verneinte und fragte, woher sie
die Information habe. Nachdem Antonia ihm den Zusammenhang erklärt hatte,
versicherte er ihr, dass man nach Andrea suchen werde.

21
    »Permesso!«
    Antonia stand auf dem Vaporetto zur Giudecca, wo sie einen
Spaziergang zum Jachthafen machen wollte.
    »Permesso!«, sagte die harte Frauenstimme wieder. Antonia sah sich
um. Es war Flavia, die sich den Weg durch die dicht stehenden Menschen zum
Ausgang der Haltestelle Palanca bahnte. Antonia folgte ihr instinktiv. Flavia
war vermutlich auf dem Weg nach Hause. Dort wäre sie mit Sicherheit
zugänglicher als im Palazzo. Vielleicht konnte sie die Frau dazu bewegen, ihre
Verbindung zu den Entführern preiszugeben, wenn sie ihr noch einmal vor Augen
führte, dass sie nur eine Schachfigur auf Guidos Spielbrett war.
    Flavia lief jetzt mit großen Schritten die Promenade der Giudecca
hinunter. Antonia folgte ihr in einem Abstand von hundert Metern und blieb
immer wieder an den Fenstern der kleinen Geschäfte stehen, um jederzeit in
einem Laden verschwinden zu können, falls Flavia umkehrte. Auf keinen Fall
durfte Flavia merken, dass sie verfolgt wurde. Sie würde ihr einen Besuch
abstatten, so als sei sie zufällig in der Gegend gewesen. Flavia würde gleich
in das Gässchen einbiegen, an dessen Ende in einem Abzweig ihre Wohnung lag.
Antonia konnte sich an den Weg erinnern. Vorsichtig folgte sie der hohen
Gestalt, die die anderen Spaziergänger der Promenade um Kopflänge überragte.
    Flavia ging jedoch nicht zu ihrer Gasse, sondern steuerte ein
kleines Café an, das ein paar Tische am Rand des Kanals aufgestellt hatte. An
einem davon saß Guido; Antonia erkannte ihn von hinten. Sie sprang in einen
Hauseingang und versuchte, sich so schmal wie möglich zu machen. Als sie sich
vorsichtig nach vorne beugte, sah sie, wie Guido aufstand. Flavia machte keine
Anstalten, sich zu setzen. Sie schien sehr laut zu sprechen, denn die Gäste an
den beiden anderen Tischen schauten zu ihnen herüber. Guido fasste, offenbar um
sie zu beruhigen, ihren Arm und versuchte sie fortzuziehen. Antonia sah, wie
Flavia sich losriss, ihn beschimpfte und dann in Richtung ihrer Wohnung
davonrannte.
    Antonia beeilte sich, so rasch wie möglich in das Wartehaus der
Haltestelle zurückzukommen. Das war kein guter Augenblick, um mit Flavia zu
sprechen. Sie war viel zu aufgebracht. Und Guido durfte sie hier nicht sehen.
An der Haltestelle zog sie ihr

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