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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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gebracht und dabei auch noch draufgezahlt, von wegen ausgebeutet. Dort gab es nichts. Gold, Diamanten, Öl? Keine Spur. Nicht wie die Engländer, die überall dorthin gingen, wo es reichlich zu holen gab. Sie gingen hin und schafften weg. Die schon, die haben wirklich geplündert. Aber wir doch nicht, wir haben nichts weggenommen. Im Gegenteil, wir haben noch alles Mögliche bei ihnen zurückgelassen. Wir haben ihnen Straßen gebaut, Brücken, Eisenbahnlinien, vorher hatten sie ja nicht einmal Saumpfade. Was sagen Sie? Dass wir die gebaut haben, weil wir sie brauchten, um das Land einzunehmen? Die sind aber auch dort geblieben, das sind die einzigen Straßen, die sie haben, und die haben wir ihnen gebaut. Und wissen Sie, warum? Um ihnen die Zivilisation zu bringen. Die hatten noch die Sklaverei. Wir haben ihnen die Freiheit gebracht, haben ihre Ketten gesprengt, und noch heute sind sie uns dankbar dafür. Nicht wie die Franzosen und die Engländer. Sie halten noch immer große Stücke auf uns, und überall in der Welt heißt es »Italiener, tüchtige Leute«. Sie lieben uns noch immer. Was sagen Sie? Dass wir Giftgas auf sie geworfen haben? Wir hätten sie mit Yprit erobert? Und was für Argumente sind denn das? Ich komme und befreie dich, und du leistest mir Widerstand? Du schießt auf mich? Krieg ist Krieg, mit Verlaub gesagt. Die haben auf Marschall Graziani geschossen, ein hinterhältiges Attentat. Sieben Tote durch Handgranaten, auch Zivilisten. Was sollten wir da machen? Drei Tage lang hatten wir freie Hand, und wir haben dafür gesorgt, dass ihnen die Lust vergeht. In ganz Addis Abeba war kein Schwarzer mehr zu sehen, alle hatten sich verkrochen. Jeden Tukul einzeln haben wir mit Benzin übergossen und angezündet, und Handgranaten auf alle geworfen, die zu fliehen versuchten: Männer, Frauen, Kinder, was immer Sie wollen. Viele mussten wir mit dem Knüppel totschlagen. Ich bin dabei gewesen. Ich war mit dabei. Schließlich haben wir ihnen die Zivilisation gebracht. Was sollten wir machen? Sagen Sie es mir doch. Gezeichnet Adelchi Peruzzi, Onkel der Braut.
    So beendete mein Onkel seine Überlegungen, im Stehen, die Stimme mittlerweile kreischend, wobei er sich mit der Serviette die schweißüberströmte Stirn wischte. Ein nahezu strahlendes Lächeln auf den Lippen. Befriedigt und stolz.
    An der Stelle sagte mein Vetter Manrico – während Onkel Adelchi sprach, war er neben ihn getreten –: »Aber Onkel, das waren doch auch Menschen. Und wart ihr nicht bei ihnen zu Hause?«
    Onkel Adelchi war sprachlos.
    Er wurde nachdenklich. Fast traurig. Er sah sich einen Augenblick um – noch keuchend – und ließ sich langsam und ganz still auf seinen Stuhl zurücksinken, während die anderen Verwandten an den Nachbartischen »Faccetta nera« anstimmten.
    Bis zum Ende des Mahls blieb er ganz in sich versunken, nur Manrico stand gerade und aufrecht neben ihm wie eine Spindel, den weißen Schal um den Hals, unbeweglich und starr auch er – ringsum die »Hochs« auf die Brautleute, »Küssen, küssen!«. Applaus und lustige Lieder bis zur Nachspeise, Obst, Konfekt, Kaffee und Grappino als Abschiedstrunk. Dann »Danke schön und auf Wiedersehen«, und die Leute begannen zu gehen.
    Erst da raffte Onkel Adelchi sich auf – bis dahin hatten er und Manrico reglos dort ausgeharrt wie zwei Krippenfiguren, Ochs und Esel, und hatten nichts angerührt – und erhob sich.
    Er trank einen Grappa ex und setzte eine Art trauriges Lächeln auf, legte eine Hand auf die Schulter des kleinen Manrico. Er sagte zu ihm: »Das waren die Zeiten, mein Junge …«, und drückte ihn an sich. Und gemeinsam gingen sie – fest umschlugen, mit kleinen Schritten – zur Glastür des Restaurants. Wir waren im Fogolar Furlan. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre.
    Kaum waren sie aber draußen auf dem gekiesten Vorplatz, beugte sich Onkel Adelchi noch einmal zu Manrico hinunter und sagte ganz leise, aber überzeugt zu ihm: »Du hast aber recht, mein Junge. Daran hatte ich noch nie gedacht. Jeder hat seine guten Gründe. Sie genauso wie wir.«

III
    W as Onkel Adelchi am meisten beeindruckte, als er hinter Marschall Badoglio an der Spitze der siegreichen Truppen zum ersten Mal in Addis Abeba einzog, das waren die Eukalyptusbäume. »Da schau doch nur die Kalips«, sagte er zu seinem Freund und Gevatter Franchini aus Cisterna, der neben ihm marschierte – im Stechschritt, Gewehr geschultert –, in der letzten Reihe der Ehrenkompanie des

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