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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Häuserwänden und Liktorentürmen abzuschlagen. Wenn man diese Erinnerung wirklich – ab radicibus, wie Cato sagt – vernichten wollte, hätte man hingehen müssen und sämtliche Eukalyptusbäume aus dem heimischen Boden ausreißen.
    In Wirklichkeit gab es zu Catos Zeiten noch keinen Eukalyptus. Der kam damals nur in Australien vor, in sechshundert Arten. Nach Europa hat James Cook ihn gebracht, nachdem er ihn 1770 dort entdeckt hatte: »Was ist denn das für ein Baum?«, hat er anscheinend zu seinen Matrosen gesagt – genau wie Onkel Adelchi –, als sie dort an Land gingen. Der Faschismus hat ihn dann im großen Maßstab in den trockengelegten Gebieten angepflanzt, weil er ein großer Wasserschlucker ist, die Mücken fernhält, sehr schnell wächst und solides Bauholz liefert. Er kann auch bis zu hundertdreißig Meter hoch werden und hat wie die Zypresse eine Lebensdauer von sechs- oder siebenhundert Jahren.
    Wir führten nur zwei Arten ein, aber die Forstmiliz pflanzte sie überall. Sie pflanzte jetzt nur noch Eukalyptus, und es stellte sich sofort heraus, dass er wirklich viel Wasser schluckte. Auch zu viel. »Zu viel der Gnade, heiliger Antonius«, sagten die Siedler, ärger als ein Kamel. Ringsherum wuchs nichts mehr. Da konnte man Weizen oder Klee anbauen und so reichlich gießen, wie man wollte – in fünfzehn oder zwanzig Metern Umkreis von einem Eukalyptus wuchs kein Grashalm mehr. Das stellte sogar Attila in den Schatten.
    Er wuchs auch sehr schnell, und nach den ersten drei Jahren hatten die Pflanzen schon eine Höhe von fünf Metern erreicht. Aber auch das beruhigte die Bauern überhaupt nicht. »Je größer er wird, desto mehr schluckt er, der Verfluchte.« Die balsamische Wirkung ist bekannt, man gewinnt Eukalyptol daraus, und die Mücken lockt er an wie der Honig; im Sommer kann man auch heute noch darunter hergehen, und ganze Vampirschwärme stürzen sich im Sturzflug auf einen. Über die Qualität des Holzes kann ich nichts sagen. In Australien pflastert man damit sogar die Straßen, wir im Agro Pontino haben es hingegen nur zur Zellulosegewinnung verwendet oder zum Verfeuern im Kamin. Eine Stichflamme und aus. Aber als Windschutz funktionierte der Eukalyptus ganz vorzüglich.
    Entlang jeder Straße, jedem Graben, Kanal oder jeder Parzellengrenze war ein fünf bis zehn Meter breiter Streifen Grund im Besitz der ONC geblieben. Und diese Streifen hatte sie überall mit Eukalyptus bepflanzt. So konnte der Wind vom Meer her nicht mehr über die Ebene fegen, Geschwindigkeit aufnehmen und bis zu den Bergen ungehindert herumwirbeln. Er wurde immer wieder aufgehalten und nach und nach gebremst, die Windgeschwindigkeit wurde um mindestens sechzig Prozent gedrosselt, von durchschnittlich fünfzig Stundenkilometern auf weniger als achtzehn. Heute ist das freilich nicht mehr so. Wenn Sie heute von Latina nach Aprilia fahren, sehen Sie keinen einzigen Eukalyptusbaum mehr. Die Opera Nazionale Combattenti wurde aufgelöst. Sie war eine überflüssige Einrichtung, hieß es – sicher war sie etwas faschistisch, das bestreite ich ja gar nicht, oder faschokommunistisch –, sie wurde jedenfalls aufgelöst, und Tausende Hektar Windschutzstreifen gingen in den Besitz der Region Latium über, und jetzt gibt es sie nicht mehr. Verschwunden. Der Grund ist noch da, aber die Bäume wurden vor ein paar Jahren an Unternehmen verkauft, die jeden Baum einzeln an der Wurzel abschneiden und die Stämme dann in Stücke zersägt auf ihren LKW s abtransportieren ließen. Zellulose. Am Boden blieb nur Laub zurück, das der Wind – der erste Seewind, der aufkam – mitsamt ein paar Kälbern und ein paar Dächern munter in die Lüfte hob, um alles oben auf den Lepiner Bergen wieder abzusetzen, in der ersten fröhlichen Windhose, die es nach so langer Zeit der Abstinenz wieder einmal gab.
    Jetzt fegen hier bei uns jedes Jahr mindestens drei oder vier Windhosen durch die Ebene, decken Häuser ab, demolieren Gewächshäuser und Hütten und reißen die Oleander und Magnolien aus, die sich die Leute aus der Stadt, aber auch die Bauern in ihren Gärten gepflanzt haben.
    Hier und da ist ein Eukalyptus auch nachgewachsen. In der Mehrzahl aber nicht. Die Leute gingen auf die Pflanzen los wie auf die schlimmsten Verbrecher. Die einen bohrten tiefe Löcher in die Wurzeln und schütteten Säure oder Benzin hinein; die anderen brannten sie jeden Sommer nieder; wieder andere rissen die Wurzeln mit dem Caterpillar aus. Nichts wie loswerden

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