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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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rütteln. Nach Jahrtausenden und Jahrtausenden der Verlassenheit und des Todes in Sümpfen, mit Morast, Schluchten, Urwäldern mit Wildschweinen, Giftschlangen, tödlich giftigen Spinnen und Taranteln, Anophelesmücken, Malaria und was Sie sonst noch wollen, können Sie zum ersten Mal Weizen ernten, und da wollen Sie nicht feiern und ein ganz kleines Filmchen drehen, das man dann in Italien und in der ganzen Welt herumzeigen kann? Es war die erste Ernte auf diesem jungfräulichen Boden, aber um eine gute Ernte zu erzielen, braucht man mindestens zwei oder drei Jahre. Der Boden muss erst entjungfert werden, muss sich aus dem rein mineralischen Zustand in organischen Humus verwandeln. Dazu braucht es Zeit. Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden, und Sie wissen, dass damals – zu unserer Zeit, nicht zu der Roms – der durchschnittliche Ertrag von Weizen zwischen achtzehn und dreißig Doppelzentnern pro Hektar lag, achtzehn auf schlechten Böden, dreißig auf fruchtbaren. Wir Peruzzi haben in den folgenden Jahren immer dreißig bis vierzig Doppelzentner pro Hektar eingefahren, aber 1933, bei der ersten Ernte, brachten wir gerade einmal so viel ein, wie wir ausgesät hatten. Den Leuten war zum Heulen zumute. Sogar Großmutter sagte: »Da wären wir doch besser dortgeblieben.«
    Wir wussten das nicht. Die von der ONC erklärten uns, dass das seine Zeit brauche. Uns erklärte das noch einmal ganz genau ein Agronom aus Neapel oder Caserta, ich erinnere mich nicht mehr so genau, ein gewisser Pascale, er arbeitete auf einem großen Landwirtschaftsbetrieb jenseits der Via Appia, der in Privatbesitz geblieben war – gewisse Grafen Cerisano-Caratelli –, und im Auftrag der Agraraufsichtsbehörde kam er ab und zu auch auf die Höfe der ONC . Dieser Agrarinspektor Pascale war ein feiner Kerl, sanft und höflich erklärte er einem alles des Langen und Breiten, aber er ging nicht, bevor man ihm nicht einen Kapaun in die Hand gedrückt hatte. Dann sagte er: »Aber nein, ich bitte Sie«, aber derweil nahm er diesen Kapaun, und den bekam man dann auch nicht wieder aus seinen Klauen. Nicht einmal mit der Zange. Mit der Axt hätte man ihm die Hände abhacken müssen. Von seinen Inspektionstouren über die Höfe kam er immer mit voll beladenem Karren nach Haus.
    Bei dieser Ernte 1933 musste man jedenfalls Getreide von auswärts heranschaffen, und die ersten zwei oder drei Jahre gab uns immer die ONC das Getreide – auch für unseren Bedarf –, so und so viel pro Kopf, sie zahlte uns so und so viel am Tag und erlaubte uns auch, auswärts arbeiten zu gehen. Oder genauer: anfangs nicht, am Anfang erlaubte sie es nicht, aber dann bestand Onkel Pericle bei der Gewerkschaft auf seinen Forderungen, organisierte im Haus des Fascio in Littoria eine Versammlung sämtlicher Familienoberhäupter und sagte: »Wir können so nicht weitermachen. Entweder gibt die ONC uns mehr und erlaubt uns, auswärts im Kanalbau zu arbeiten und Wein anzubauen« – denn am Anfang war auch das verboten, man durfte nur anbauen, was die ONC beschlossen hatte, und die wollte den Weinbauern aus Velletri, von den Castelli Romani, keine Konkurrenz machen – »oder ab morgen treten die Siedler in den Streik.«
    Als sie »Streik« hörten, waren die von der ONC auf hundertachtzig. Im Faschismus war Streik gesetzlich verboten, und Cencelli wurde fuchsteufelswild, er wollte die Kavallerie schicken – »Ja, sind denn das Bolschewiken? Denen hetze ich die Kosaken auf den Hals« –, und er verlangte sofort eine Unterredung mit Rossoni. »Da ist ein Subversiver dabei, zum Henker, der wiegelt mir die ganzen Siedler auf.«
    »Ein Subversiver?«, fragte Rossoni, der von der Sache etwas verstand. »Sag mir, wer das ist, den sperren wir sofort ein.«
    Cencelli kramte in seinen Akten: »Lass mal sehen … lass mal sehen … Ah, da ist er, ich habe ihn gefunden: Pericle Peruzzi.«
    »Pericle Peruzzi? Aber scher dich doch zum Teufel, Cencé! Gib ihm auf der Stelle alles, was er fordert, und sag so was nie wieder, rat ich dir, der bringt dich sonst auch um. Ein bisschen Flexibilität, Herrgott noch mal …«
    Und so wurde es uns gestattet, und wir konnten uns durchbringen, bis die Höfe voll ertragsfähig geworden waren. Da konnte man dann anfangen, vernünftig zu planen – als die Ernten so nach und nach das ergaben, was man sich erwartete, und auch mehr, und wir Jahr für Jahr die vorgesehenen Raten für den Pachtkauf bezahlen konnten. Wir waren jedoch nach wie vor

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