Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
Welt gegen unseren brutalen Überfall in Abessinien protestierte und ihn verurteilte.
    Meine Onkel alle stinksauer: »Ach ja? Ihr habt also alle die Imperien, die ihr wollt, und über uns verhängt ihr Sanktionen?« Lassen wir beiseite, dass die Sanktionen im Juli 1936 gleich wieder aufgehoben wurden – angesichts vollendeter Tatsachen, wie man so sagt – und dass man uns wieder mit allem belieferte, was wir brauchten: Eisen, Erdöl, Kohle, Kautschuk; wir mussten nur zahlen. Aber das hat man meinen Onkeln nicht gesagt, die Propaganda lief weiter mit dieser Geschichte von den Sanktionen und dem Wirtschaftsboykott – alle waren gegen uns, sie wollten uns die Luft abdrehen –, und die Propaganda hatte inzwischen Riesenfortschritte gemacht. Das Kino – ich kann Ihnen sagen! Jetzt wurde in jedem Borgo sonntags ein Film gezeigt – in Littoria jeden Tag, oder genauer, jeden Abend –, und vor dem Film lief die Luce-Wochenschau, mit den Errungenschaften des Faschismus und all den Schikanen, die der Rest der Welt uns antat. Man wollte einfach unseren sakrosankten Anspruch auf dieses famose Imperium nicht anerkennen, den wir – wie man sich erinnert – in deren eigenem Interesse erhoben, um auch ihnen unsere Pax romana zu bringen. Aber nein, das wurde nicht anerkannt, und in jeder Unterhaltung im Haus des Fascio, aber auch bei uns zu Hause oder im Wirtshaus, kam die Rede früher oder später auf die Sanktionen: »Verflucht seien sie und ihre Sanktionen.«
    »Was ist denn das genau, diese Sanktionen?«, fragte Großmutter einmal.
    »Oh, Mama«, antwortete Onkel Adelchi, »das ist schlimmer als die Quote ’90.«
    »Jesusmaria«, sagte sie da.
    Uns jedenfalls hat man nie gesagt, dass diese Sanktionen bereits im Juli 1936 aufgehoben wurden. Oder wir haben es wenigstens nicht verstanden. Und als Onkel Iseo im Jahr 1954 oder ’55 – der Zweite Weltkrieg war schon zehn Jahre vorbei – ein neues Radio kaufte und es nach Hause brachte mit den Worten »Frau, ich habe ein Radio gekauft«, war Tante Zelinda hochzufrieden, besah es sich von allen Seiten und drehte es hin und her, nicht nur weil es Töne und Lieder von sich gab, sondern einfach so, als Gegenstand. Es war ein kleines Transistorradio neueren Typs – Marke CGE , aus Plastik und Feinblech –, gerade mal so groß wie eine Schuhschachtel. Keine solche Holztruhe mehr wie früher. »Was für ein schönes Radio«, sagte Tante Zelinda. Dann ließ sie sich aber von ihrer Tochter auch das vorlesen, was auf der Rückwand des Gehäuses stand, verblüfft lief sie zu ihrem Mann und fragte: »Aber wo hast du denn das gekauft, das Radio?«
    »Beim Radiohändler«, entgegnete Onkel Iseo. »Warum?«, fragte er dann, »stimmt was nicht damit?«
    »Aber es ist ausländisch!«
    »Na und?«, fragte er.
    »Und die Sanktionen? Wie hast du das gemacht mit den Sanktionen?« Wohlgemerkt, das war 1954 oder ’55.
    Sanktionen hin oder her, die Errungenschaften des Faschismus gingen jedenfalls voran, und am 21. April 1936 kam der Duce in den Agro Pontino – oder besser an den Nordrand, wo er an den Agro Romano grenzt –, um Aprilia zu gründen.
    Meine Onkel waren natürlich alle da und sahen, wie er höchstpersönlich einen Traktor bestieg – das neueste Fiat-Modell, ein Raupenfahrzeug in flammendem Orange –, sich ans Steuer setzte, losfuhr und mit dem hinten befestigten Pflug die heilige Grundrissfurche zog, ja, wenn Sie die Fotos anschauen, der, der neben ihm im Mechanikeroverall, der ihm bei den Manövern hilft, das ist der arme Signor Augusto Reali von der Motomeccanica, der Vorarbeiter von Onkel Benassi. Der im Hintergrund dagegen, mit Fez und Brille, das ist Gerardo Rizzi, ein Sizilianer von der ONC , der nach dem Krieg mit den Geldern der Landwirtschaftskasse abgehauen ist.
    Auch hier in Aprilia – und jetzt lachen Sie nicht, oder ich hör auf zu erzählen und geh – hatte es zuvor die ganze Nacht geregnet, und bis der Duce kam, war der Himmel voller Wolken gewesen, aber kaum tauchte er um neun Uhr morgens auf, herrschte wieder Sonnenschein: »Glänzend lagen die Äcker da, der Boden war durchnässt, und von den Bäumen triefte noch das Wasser« , hieß es in den Berichten.
    Er setzte sich jedenfalls auf den Fiat-Traktor, ließ die Pflugschar herab, legte den Gang ein und zog seine heilige Furche wie zu Zeiten von Romulus und Remus. Auch damals wurden Städte so gegründet, einem alten Ritual der etruskischen Auguren folgend, zog man eine Furche, und die Stadt begann zu

Weitere Kostenlose Bücher