Canale Mussolini
venetischen, friaulischen und Ferrareser Siedler im Agro Pontino, von wegen nur die aus der Romagna. Veneto-pontinische Cispadanier, Verehrtester. Wer denn sonst?
Als die Schiffskanonen der Alliierten um zwei Uhr nachts Feuer und Flammen zu spucken begannen, waren wir im Agro Pontino sofort alle wach, und als wir sahen und hörten, dass dieses Feuer vom Meer her kam, brauchten wir nur zwei und zwei zusammenzuzählen, um zu kapieren, dass da jemand an Land ging. Onkel Adelchi in seiner Sozialbauwohnung, die er in Littoria gemietet hatte, fuhr aus dem Schlaf hoch. Er schaute zum Fenster hinaus und sagte: »Au Scheiße.« Dann aber zog er die Uniform an – er war ja immer noch Polizist –, schnallte das Koppel mit der Pistole um und ging in seine Kommandozentrale, ins Rathaus. Dort traf er die anderen, und sofort – »Du hierhin! Du dorthin!« – ging jemand in Littoria kontrollieren, ob die Luftschutzunterkünfte in Ordnung waren und dass unter den verängstigten Menschen nichts passierte; ein anderer stieg, wie er selbst, mit einem Kollegen auf die Gilera, sie fuhren bei der Milizkaserne vorbei, nahmen ein paar Gewehre mit und fuhren in die Dörfer am Meer, um zu sehen, was vor sich ging. Dann fuhren sie auf ihren Motorrädern zusammen mit den Deutschen und ihren mobilen Kanonen auch hin und her. Als es Morgen wurde und langsam dämmerte – halb sechs oder sechs –, waren sie in Richtung Borgo Piave unterwegs, da sahen sie aus der Ferne vom Canale Mussolini her einen amerikanischen Jeep entgegenkommen. Umgeben von einem Trupp Fußsoldaten, rückte er nur sehr langsam vor.
Sie warfen die Motorräder auf den Boden und begannen mit den Pistolen zu schießen. Die anderen warfen sich auch auf den Boden und schossen ebenfalls. Mein Onkel brüllte: »Manzón! Manzón! Manzón!«
»Was ist los, Adelchi?«, kam die Antwort von drinnen aus dem Hof der Manzón, wenn sie auch von der Situation verschreckt waren, hatten sie seine Stimme doch erkannt.
»Komm heraus schießen, du Hundesohn, die nehmen auch euch die Höfe weg.« Und sofort – »Au Scheiße, die Höfe!« – kamen die Manzón heraus, und dann auch die Rivaletto vom Hof gegenüber und alle anderen auch. Die einen mit den zwei oder drei Gewehren von der Miliz, die anderen mit Jagdflinten, die sie auf dem Speicher versteckt hatten – denn nach dem 8. September hatten die Deutschen jeden Waffenbesitz für Zivilisten verboten –, feuerten sie peng, peng, peng! auf die Amerikaner. Als sie diesen Schusswechsel hörten, kehrten auch die deutschen Aufklärer mit ihrer Kanone um, freilich waren sie noch nicht angekommen, da zogen die anderen sich schon zurück, wendeten den Jeep und kehrten schleunigst zurück zum Kanal: »Hier gibt’s Widerstand! Hier gibt’s Widerstand!«, sagten sie in ihr Funkgerät.
Doch auch auf der anderen Seite – nach Aprilia-Pomezia hinüber – ist es ähnlich gelaufen, denn am 22. morgens, fast zur selben Uhrzeit, tauchten dort drei oder vier englische Jeeps auf, genau unter dem Hof von Tante Bissola und Lanzidei. Die Straße – die E-42, heute Pontina, damals noch im Bau, nur der Unterbau war fertig – verläuft im Tal, etwas eingesenkt. Oben auf den Hängen, die die Straße flankierten, lagen die Höfe von Onkel Lanzidei auf der einen Seite und von seinen Nachbarn aus der Romagna auf der anderen Seite; die hießen Maltoni, wie die Mutter des Duce, und behaupteten, sie seien wirklich mit ihm verwandt. »Ah, aber wir sind mit Rossoni verwandt«, sagte Tante Bissola zu ihnen, um nicht zurückzustehen. Jedenfalls als diese drei oder vier Jeeps unten auf der Straße auftauchten: Peng! Peng! , Feuer aus allen Gewehrläufen, sie auf der einen, wir auf der anderen Seite. Wir oben, die Engländer unten. Längsseits getroffen. Ein Fahrzeug kam ins Schleudern und landete im Straßengraben. Die anderen aufgehalten und alle über die Äcker hinunter. »Weg von meinem Grund, raus aus meinem Hof«, kreischte Tante Bissola, und Peng! Peng! schoss sie, hinter einem Abzugsgraben flach auf den Boden gepresst.
»Lasst mich schießen, Mama, ich habe ein besseres Ziel!«, sagte der älteste Sohn zu ihr.
»Sei still, sonst bring ich dich auch noch um!«, entgegnete sie. »Sei still und gib mir die Munition rüber, verdammter Kerl.« Onkel Lanzidei und sein Vater – der alte Lanzidei, Antifaschist aus Nettuno, unterdessen aber, mit Verlaub gesagt, Eigentümer eines Hofes – hatten Helme aus dem Ersten Weltkrieg auf den Köpfen. Wir und die Nachbarn
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