Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
elementare Verwaltungseinheiten, borghi , die wir über das Netzwerk an Bauernhöfen verteilen – eines alle zweihundert Höfe, im Durchschnitt – mit der ganzen Infrastruktur: Kirche, Schule, Casa del Fascio, Post und Telegrafenamt, Carabinieriposten, Kino, Sportplatz, Dopolavoro usw.« Und als am Beginn des neuen Landwirtschaftsjahres – vor der Aussaat, im Herbst 1933 – die zweite und größere Welle von Siedlern ankam, fanden sie diese borghi schon fix und fertig vor.
    Cencelli hatte bei sich auch gedacht: »Aber das ist ja wie ein grenzenloses Holland, wie werden diese Leute alle zurechtkommen, die wir hier herunterschaffen? Werden sie nicht auch ein Meldeamt brauchen oder einen Friedhof?« Und von Januar bis März – im Lauf von nur drei Monaten – war ihm in den Sinn gekommen, außer den Landdörfern etwas Größeres zu schaffen. »Weißt du was? Jetzt baue ich eine Stadt«, und sofort setzte er zwei Ingenieure aus seinem Planungsstab auf die Sache an. Als der Duce und Rossoni am 5. April 1932 auf Inspektionsreise in die Sümpfe kamen, führte er sie in Quadrato auf das Dach des Bauernhofs, und mit den Bauplänen in der Hand zeigte er ihnen alles, deutete mit dem Finger in alle Richtungen. »Hier baue ich eine Kirche, dort das Rathaus und dorthinten den Friedhof.«
    »Aber Cencelli, bist du verrückt geworden?«, schimpfte der Duce. »Das ist ja eine Stadt, dass dich der Teufel hole!«
    Man muss nämlich wissen, dass der Duce anfangs gegen Städte war. Er konnte sie nicht leiden. Er war fürs Landleben und für die Deurbanisierung. Der erste Feind, den man bekämpfen musste, war das Stadtleben, die Quelle allen Übels: Die Leute flohen vom Land, wo sie friedlich gearbeitet hatten, kamen in die Stadt, wo sie streikten und arbeitslos wurden, sich in den Wirtshäusern betranken und dann, halb betrunken, auch noch anfingen, über Politik zu reden. »Von wegen Stadtleben«, hatte Mussolini gesagt, »auf dem Land will ich sie alle haben, die Italiener«, und hatte zur Sicherheit in ganz Italien sogar fünfundzwanzigtausend Wirtshäuser schließen lassen. Und in den wenigen, die offen geblieben waren, ließ er ein Schild mit amtlicher Stempelmarke anbringen: »Hier wird nicht über Politik geredet.« Und an dieser Idee vom Ruralismus hat er etwa zehn Jahre lang festgehalten, von 1922, als er an die Macht kam, bis zu jenem 5. April 1932, als er mit Rossoni und Cencelli in Quadrato auf das Dach des Bauernhauses stieg: »Raus aus den Städten, zurück aufs Land«, hatte er in all diesen Jahren gepredigt, »das ist die wahre faschistische Mystik.« Und der Fascio hielt die Leute auch mit Gewalt auf dem Land fest, obwohl sie nach allen Seiten davonliefen, eben in die Stadt. Aber der Duce wollte den neuen Menschen schaffen – Bauer und Soldat –, im Guten oder im Bösen. Tatsache ist, dass dem Duce, als Cencelli etwas von »Stadt« zu ihm sagte, die Galle überlief: »Was fällt dir ein? Ich hau dich gleich.«
    »Aber nein, Duce, was habt Ihr denn verstanden? Das ist doch keine echte Stadt, das ist sozusagen eine ländliche Stadt; aber ein bisschen Standesamt, ein bisschen Friedhof und ein Minimum an Infrastruktur, ein paar lausige Ämter muss ich denen doch geben; das werden Tausende Menschen sein, die kann ich doch nicht übers Land verstreut allein lassen, so dass sie für ein Attest oder eine Beerdigung dreißig oder vierzig Kilometer weit fahren müssen, bis nach Cisterna oder Terracina. Ich bitte Euch, Duce, wenigstens ein Gemeindeamt mit so was wie einem Bürgermeister brauche ich dann doch.«
    »Na schön, ist gut«, sagte der Duce da. »Aber dass es mir nur ein ländliches Gemeindezentrum ist, Cencé! Und ich will nichts mehr von einer Stadt hören, sonst platze ich.«
    »Keine Sorge, Duce. Was glaubt Ihr denn? Ich bin doch nicht blöd. Nur ein ländliches Gemeindezentrum: Standesamt und basta.«
    »Nimm dich in Acht!«, wiederholte Rossoni noch einmal, bevor sie gingen.
    »Schon wieder? Wofür hältst du mich denn, für einen kleinen Jungen?«, erwiderte Cencelli pikiert. Aber ich habe Ihnen ja schon gesagt, was für ein Typ das war, ein Bulldozer mit Helm auf dem Kopf. Er war eben aus Rieti, lauter Gebirgler und Schafhirten sind das dort.
    Als er dann allein zurückgeblieben war, besah er sich noch einmal die Zeichnungen, die seine Techniker ihm angefertigt hatte, und sie gefielen ihm nicht. »Aber was sollen die denn schon verstehen? Die verstehen nur etwas von Kanälen und Sümpfen, aber für eine

Weitere Kostenlose Bücher