Canale Mussolini
Stadt brauche ich zumindest die künstlerische Oberaufsicht eines Architekten.« So ließ er einen aus Rom kommen – Oriolo Frezzotti – und sagte zu ihm: »In achtundvierzig Stunden will ich einen komplett neuen Entwurf haben, sonst zahle ich nicht.« Und der machte ihm einen, und da gingen auch gleich die Ausschreibungen raus. Am 6. oder 7. April hatte er den Architekten rufen lassen, und am 30. Juni waren bereits alle Baugründe abgesteckt, die Unternehmen vor Ort und die Baugrube für den Rathausturm ausgehoben.
Unterdessen aber hatte er – er war eben aus Rieti, ich sage es noch einmal – sämtliche Zeitungen zusammengetrommelt: »Wir bauen jetzt eine funkelnagelneue Stadt«, und hatte an die höchsten Persönlichkeiten in Rom und im ganzen Königreich Einladungen zur feierlichen Zeremonie der Grundsteinlegung verschicken lassen. In den Zeitungen riesige Schlagzeilen: »Littoria, die neue Stadt, wird geboren«. Und »Il Messaggero« schrieb: »Eines Tages wird es eine Metropole sein.«
Was hat der Duce nicht für Wutanfälle gekriegt, als er die Zeitungen sah! Er schäumte und geiferte über die ganze Piazza Venezia hinweg: »Bringt ihn her, bringt ihn mir her, dass ich ihn eigenhändig erdrossle.«
Als er den Duce so sah, hängte Rossoni sich sofort ans Telefon, um Cencelli zu warnen: »Tauch unter, mein Junge, halt dich fern vom Palazzo Venezia, meld dich krank und lass dich ein paar Tage lang nicht blicken, denn sonst sieht es ganz übel aus.« Und der versteckte sich.
Unterdessen versuchte Rossoni den Duce zu beschwichtigen. »Ach komm, Duce, das ist doch nur ein ländliches Gemeindezentrum, das ist doch keine Stadt; fängst du jetzt auch an, den Zeitungen zu glauben?«
»Aber zum Teufel noch mal, haltet ihr mich eigentlich für einen Vollidioten? Bring du mich nicht auch noch in Rage, Rossón«, und in der Tat, seien wir ehrlich – er mag ja ein Diktator gewesen sein und das absolut Böse –, aber völlig auf den Kopf gefallen war er nicht. Littoria ist von Anfang an – das sah man schon auf den Entwürfen – mit drei riesigen selbständigen Plätzen geplant, den drei Zentren der künftigen Stadt. Da kann man lang sagen: »Das ist keine Stadt, das ist nur ein Gemeindezentrum.« Jedes Mal, wenn man ihm das sagte, kam er wieder tierisch in Rage. Tatsache ist jedenfalls, dass die Verträge mit den Baufirmen schon unterzeichnet waren. Es gab kein Zurück. Auch das Fest zur Grundsteinlegung hatte Cencelli versucht abzusagen, aber die Einladungen waren schon raus, und am festgesetzten Tag fanden sich jede Menge Leute aus Rom ein. Sogar der Bischof von Terracina kam zur Segnung des Grundsteins. Nur der Duce war nicht da. Er wollte nicht. »Und du gehst auch nicht hin«, befahl er Rossoni. Und vom nächsten Tag an erschien in den Zeitungen keine einzige Zeile mehr darüber. Er hatte eine Weisung an die Redaktionen schicken lassen, mit eigenhändiger Unterschrift, und die lautete wortwörtlich so: »Dieses ganze Gerede, Littoria sei keine Stadt, bloß einfaches Gemeindezentrum, steht in absolutem Gegensatz zur antiurbanistischen Politik des Regimes Stop Auch die Zeremonie der Grundsteinlegung ist ein Relikt aus verga n genen Zeiten Stop Das Thema nicht mehr behandeln – Mussolini.« Da es den Zeitungen verboten war, auch nur die kleinste Nachricht zu bringen, musste Cencelli nun tatsächlich den Aufsehern der ONC Befehl geben, auf jeden Journalisten, der sich in den Sümpfen blicken lassen sollte, scharf zu schießen. Littoria konnte man nicht mehr nicht bauen, aber man musste es in aller Stille bauen: »Still, der Feind hört mit.«
Leider ist es – wie Sie wissen – ziemlich sinnlos, über verschüttete Milch zu weinen oder, wie man so schön sagt, die Stalltür zu schließen, wenn die Rinder bereits davongelaufen sind. Die Nachricht war nun schon einmal in die internationale Presse gelangt, und in der ganzen Welt stand in den Zeitungen zu lesen: »Die bauen Städte!« Und alle voller Bewunderung. Mit offenem Mund. Und sie wollten kommen und sich das selbst vor Ort ansehen, aus Amerika, Russland, aus Thailand, Ungarn. Sogar sowjetische Minister und Kolchosvorsteher. Um zu sehen, wie man das macht. Da änderte der Duce seine Meinung, fand Gefallen an der Sache und fing an, ebenfalls zu kommen, mindestens einmal in der Woche, um den Fortschritt der Arbeiten zu überwachen, immer in Begleitung irgendeines ausländischen Botschafters.
Da wollte er dann allerdings, zu Recht, auch das Verdienst daran
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