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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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und Süditaliens waren seit Jahrhunderten völlig verlassen, die Menschen hatten sich in die Berge zurückgezogen, zunächst zum Schutz vor der Invasion durch Barbaren und Sarazenen, dann wegen der Latifundien und der Malaria. Eine Wüstenei. Und so werden schon Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Gesetze erlassen und die ersten groß angelegten Urbarmachungsversuche unternommen – allerdings fast ausschließlich in der Poebene –, auf Initiative von Privatunternehmern, die Erträge und Gewinne steigern wollen. Das waren schließlich keine Philanthropen.
    In Mittel- und Süditalien dagegen – wo man das viel dringender gebraucht hätte, weil hier Armut und Malaria herrschten – hatte sich nie etwas bewegt, weil es keine eigentliche Unternehmerschicht gab und die reichen Grundbesitzer sich damit begnügten, zu nehmen, was das Land abwarf, und es in ihren Stadtpalästen zu verzehren. Und so entstand in den Kreisen um Nitti und die Banca Commerciale die Idee, den Süden – um ihn zu modernisieren – um jeden Preis auch kapitalistisch zu machen. »Wenn die Reichen im Süden nicht imstande sind, dann treten eben wir aus dem Norden an ihre Stelle.« Mit Geldern vom Staat natürlich.
    Nun, sämtliche wasserbautechnischen Maßnahmen, vom Ausheben der Gräben und Kanäle bis zur Regulierung aller Wasserläufe, gingen ganz auf Kosten des Staates. Bei den anderen Arbeiten hingegen – Haus- und Straßenbau, Bepflanzung, Befestigung der Dünen und Uferverbauung von Seen, Strom- und Wasserversorgung – zahlte der Staat nur zweiundneunzig Prozent, während die restlichen acht Prozent die armen Eigentümer tragen mussten. Haben Sie verstanden?
    Man besaß ein Stückchen Land – Tausende Hektar –, die unter Wasser standen, nur Frösche gediehen dort, und wollte man es verkaufen, so wollte es keiner haben, nicht mal geschenkt. Und plötzlich liegt es da, vollkommen trocken, mit Straßen und Brücken, Baumreihen und Lichtmasten. Was sagen Sie, um wie viel ist es jetzt mehr wert? Nun, man selbst hat keine Lira ausgegeben, das hat alles der Staat gemacht. Man selbst hat, wenn’s hoch kommt, die acht Prozent für den Schotter der Straße beigesteuert. Ja, und wenn man sich auf diesem Grundstück – das früher ganz unter Wasser stand und jetzt schön in der Sonne liegt, und man kann nun auch mit dem Wagen hinkommen – ein Haus, Ställe, Heuschober baut und alles, was einem gefällt, dann zahlt der Staat auch da noch achtunddreißig Prozent dazu. Erlauben Sie also, dass der Duce sich 1931 sagte: »Ja, verdammt noch mal, bin ich denn blöd?« Sicher, das war Mussolini, und er hat die Diktatur gebracht, den Totalitarismus, die Sondergesetze, Kriege, Judenverfolgung – kurz, er hat uns in die Katastrophe geführt –, aber als junger Mann war er Sozialist gewesen wie mein Großvater, und noch als er in San Sepolcro den Fascio gründete, hatte er ein linkes Programm. Damals sagte er: »Weißt du was? Mir passt das überhaupt nicht, dass ich das Geld gebe, und den Gewinn streichen dann die Grundbesitzer ein. Da gebe ich den Boden doch lieber den Bauern.« Er ließ Cencelli rufen und sagte zu ihm: »Setz den Helm auf.«
    Und das tat der. Daher hieß die Zeitung des ONC auch »Eroberung des Bodens«. Was meinen Sie wohl, was das heißen sollte? Ganz genau das: Eroberung. Mit der blanken Waffe. Es war ein harter Kampf. Bis aufs Messer eben.
    Der Duce trat nicht sonderlich in Erscheinung, er schickte Rossoni und Cencelli vor. Aber Tatsache ist: Sie stritten sich, nicht weil sie sich nicht mochten, sie zerfleischten sich, weil es ein Klassenkonflikt war, das war die Revolution, von der Rossoni und Mussolini meinem Großvater immer erzählt hatten, und die ONC war die »rote Garde« dieser Revolution, ein bisschen faschokommunistisch. Den Reichen den Grund wegnehmen und ihn den Armen geben – lesen Sie das nur nach in den heiligen Schriften von Marx, Lenin und Mao Tse-tung –, das ist nichts, was üblicherweise die Rechte macht. Das machen in der Menschheitsgeschichte nur die revolutionären linken Bewegungen.
    Wenn die Konsortien gesiegt hätten, sähe das physische und soziale Panorama des Agro Pontino heute völlig anders aus. Insgesamt würden Sie dort zwei- oder dreitausend Menschen antreffen – statt einer halben Million –, und von uns würde noch jeder in seinem Herkunftsnest hocken und Kohldampf schieben. Nichts wäre da mit den Siedlungsdörfern, den borghi , und Latina-Littoria. Das ist auch der Grund, weswegen die ONC

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