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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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gedecktes Vordach, ganz von Mückengittern abgeschlossen, mit einer Vorrichtung aus Draht, Flaschenzug und Gegengewicht, wodurch sich die Tür sofort wieder schloss, sobald sie geöffnet wurde. Nach diesem Eingangsbereich kam die eigentliche Haustür, und die Vortür diente eben dazu, die Mücken abzuhalten. Sie durften höchstens in diesen Eingangsbereich, und die seltenen Male, dass eine ins Haus gelangte, bestand Order, sofort Mückenalarm zu geben: »Mücke!«, und alle eilten herbei, um Jagd auf sie zu machen. Wehe vor allem denen – insbesondere den Kindern –, die beim heftigen Auf- oder Zuschlagen der Tür den Draht aus der Spule springen oder den Stift zu Boden fallen ließen. Alle beschimpften sie wie die schlimmsten Übeltäter. Die Mücken waren die größte Gefahr, und die von der ONC , aber auch die Lehrer in der Schule wiederholten unentwegt immer wieder das eine: Die Mücke war es, die mit ihrem Stich die Malaria übertrug.
    Wie bitte, was sagen Sie? Nein, nein, es handelt sich nicht um normale Mücken, wie man sie auch heute noch sieht. Das war die Anopheles-Mücke, die ein bisschen größer ist, und den Malaria-Bazillus brachte sie auch nicht aus sich selbst hervor. Ursprünglich war sie harmlos. Sie war nur Überträgerin, und den Bazillus nahm sie auf, wenn sie das Blut von infizierten Menschen saugte. Wenn sie dann Gesunde stach, übertrug sie ihnen den Bazillus. In den Pontinischen Sümpfen gab es jede Menge Kranke. Auch bei uns in der Poebene hatte es etwas Malaria gegeben, aber nicht wie hier, hier war das eine Geißel Gottes, und es gab alle Varianten der Krankheit, nicht nur die gewöhnliche, am meisten verbreitete, die einen schleichend tötet, mit Fieberschüben und durch Vergiftung der Leber, die Hepatitis. Die Leber vergrößert sich nach und nach, und man sah all diese Menschen – auch die Hirten aus der Ciociaria und den Abruzzen und die berittenen Büffelhüter aus Cisterna – mit ganz dickem Bauch. Blähbauch. »Panzarotti« nannte man sie, und allmählich starben sie.
    Man wurde mit Chinin behandelt. Es kamen die Kuriere vom Roten Kreuz zu Pferd vorbei und verteilten es in Tablettenform, und wir nahmen es auch zur Vorbeugung. In jedem Ort gab es eine Ausgabestelle, wo Chinin verteilt wurde und wo auch Salz und Tabak verkauft wurden, denn damals waren alle drei Dinge – Chinin, Salz und Tabak – in Staatsmonopol. Dann gingen die ersten Geschäftsleute dazu über und boten auch Lebensmittel an, Pasta, Öl, dann kam der Weinausschank hinzu, das Wirtshaus, Bocciaspiel, und so heißen auch heute noch bei uns – wo man seit fünfzig Jahren keinen Malariakranken und keine Chinintablette mehr gesehen hat – die Lebensmittelgeschäfte »Ausgabestelle«. Das waren regelrechte General Stores wie die Saloons im amerikanischen Westen. Im Bedarfsfall konnte man dort auch Schaufeln und Nägel finden.
    Es gab aber auch gefährlichere Formen der Malaria, die einen mit plötzlichem Fieber von über zweiundvierzig Grad binnen achtundvierzig Stunden dahinrafften.
    Damals gab es kein DDT , es gab einfach nichts. Man musste den Mücken mit der Fliegenklatsche hinterherlaufen. Oder doch: Es gab Fledermaustürme – große Holztürme voller runder Löcher, die überall im Sumpfgebiet, wo die Trockenlegungsarbeiten im Gange waren, aufgestellt wurden –, in denen die Fledermäuse ihre Nester bauten. Man hatte sie aus ganz Italien herbeigeschafft, weil Fledermäuse ganz versessen sind auf Mücken und sie im Flug schnappen, besser als ein Abfangjäger. Ein F 16. Die Frauen ekelten sich ein bisschen vor ihnen – und es ist ja auch nicht schön, seien wir ehrlich, wenn sie sich in den Haaren verfangen –, aber kaum begannen sie, im Holz unter dem Dachgesims der Häuser oder im Gebälk der Ställe ihre eigenen Nester zu bauen, errichteten die Leute ihnen förmlich Altäre, breiteten Teppiche für sie aus und behandelten sie besser als ein Neugeborenes. Es fehlte nicht viel, und die Frauen hätten ihnen Milch und Kekse gebracht, und wenn sie einen von uns Burschen mit der Schleuder in der Hand auch nur in der Nähe des Stalls sahen – nachmittags, wenn sie im finstersten Winkel des Gebälks in einer Reihe mit dem Kopf nach unten schliefen –, gingen sie mit Hieben auf einen los, schlimmer als auf eine Mücke. Die Fledermaus war ein heiliges Tier im Agro Pontino, und auch heute noch, wehe, man tut ihr etwas zuleide.
    Aber die Fledermaus war nicht allmächtig. Allein konnte sie es nicht schaffen in

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