Canale Mussolini
wirkte einen Tag oder zwei. In Amerika gossen sie Öl aufs Wasser. Das funktionierte wirklich. Aber sie hatten eben auch Öl. Wir nicht, nicht einmal fürs Feuerzeug, geschweige denn, um es auf die Tümpel zu schütten. Wir führten unseren Kampf gegen die Mücken und die Malaria mit Straßenstaub, mit Nisttürmen für die Fledermäuse und ein bisschen Flitt – eine Art Insektizid, das wir mit der Flittspritze versprühten; aber für die Mücken war das eher ein Stärkungsmittel, sie waren ganz versessen darauf und wurden saumäßig fett davon – vor allem aber mit Fliegenfängern, die ganz schwarz von der Decke herabhingen. Natürlich außer den Fliegenklatschen und den Schuhen, mit denen man die Mücken an der Wand zerquetschte, wenn man sie erwischte.
So sah in den vierziger und in den frühen fünfziger Jahren im Agro Pontino der Kampf gegen die Malaria aus – als es immer wieder Malariafälle gab –, bis mit dem Zweiten Weltkrieg die Amerikaner kamen. Da war es mit der Malaria wirklich vorbei, denn wenn sie dem Rest des Landes, wie man so schön sagt, die Freiheit brachten – von Freiheit hatten wir auch vor dem Faschismus nicht viel gesehen und gekostet, ja, eigentlich war es da schlimmer gewesen –, so haben die Amerikaner uns vor allem das DDT gebracht. Sie hatten es gerade erfunden und noch nicht in großem Maßstab erprobt. Daher sagten sie, als sie kamen: »Probieren wir es hier aus!« Sie luden zwei Dakota – gewisse Riesenflugzeuge von ihnen – mit kanisterweise DDT voll und flogen über dem Agro Pontino hin und her, bis sie alles mit dem Gift überzogen hatten. Das Experiment ist gelungen. »Verdammt, und ob es gelungen ist!«, sagte einer seiner Generäle zu Truman –, und in der ganzen Region Latium ward nie mehr eine Anopheles-Mücke gesehen, und auch kein Malariakranker mehr, selbst wenn man in Gold dafür bezahlt hätte. Das Krankenhaus in Velletri wurde geschlossen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass es den Menschen nicht geschadet hatte – denn DDT mag zwar biologisch nicht abbaubar sein, aber für den Menschen hat es keine schädlichen Wirkungen, ja vielleicht hat es sogar positive, wer weiß –, gingen die Amerikaner daran, in aller Ruhe nun auch ihre eigenen Sumpfgebiete zu desinfizieren: »Im Agro Pontino getestet«, sagten sie.
Jetzt ist DDT auf der ganzen Welt verboten. Weil es biologisch nicht abbaubar ist. Es bleibt in der Nahrungskette und löst sich nicht auf. Man hat sogar welches im Fettgewebe einer Robbe am Nordpol gefunden. Da sagte man sich: »Schluss mit dem DDT , das kann man nicht mehr verwenden.« Aber uns hat es vor der Malaria gerettet, und wenn es kein DDT gegeben hätte, würden wir nicht zu fünfhunderttausend in diesem Gebiet hier wohnen. Es wäre noch immer eine malariaverseuchte Sumpfwüste, und wir hätten früher oder später in unsere Heimatorte zurückkehren müssen, von wo man uns mit Fußtritten verjagt hatte. Nun tut es mir ja leid für die Robbe am Nordpol – denn jedes Lebewesen verdient Achtung, auch Robben –, aber mit Verlaub gesagt, was ist besser: dass eine Robbe am Nordpol stirbt, oder dass wir hier sterben, meine Kinder und ich?
Jedenfalls, um in diese Höfe zu gelangen, musste man zunächst über die Zugangsbrücke mit gemauerten Balustraden aus Naturstein und einem wulstigen Handlauf obenauf – dort saßen wir an Sommerabenden alle und schwatzten miteinander –, die führte über den Straßengraben weg in den Hof, auf die Tenne.
Dann das Podere selbst, das Haus, wo gleich hinter dem Antimücken-Windfang zwei Stufen zur Eingangstür führten, dann die Diele und das Treppenhaus nach oben. Die Stufen waren aus Terrazzo, ebenso wie der Spülstein in der Küche, anfangs ziemlich hell in der Farbe, durch das ständige Wischen und Scheuern mit Wasser, Asche und Seife wurde er im Lauf der Zeit aber von einem immer dunkleren, glänzenden Grau, worin die Steinstückchen funkelten wie Diamanten. Er wirkte wie Granit aus den Dolomiten.
Gleich links hinter dem Eingang die immer offen stehende Tür zur Küche. Eine riesige Küche mit der Feuerstelle hinten an der Rückwand, wo die ganze patriarchalische Familie Platz fand. Das war das Herz des Hauses, wo alle gemeinsam aßen – die einen im Stehen, die anderen im Sitzen – und man auch diskutierte, sofern und wenn es nötig war. In der einen der Längswände waren zwei Fenster angebracht, die auf die Tenne und die Straße gingen, in der anderen dagegen die kleine Zugangstür zum Pferdestall
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