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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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diesem Universum von Anopheles-Mücken. Man konnte sie nur besiegen, indem man ihren Nachwuchs im Morast ausrottete, noch bevor er schlüpfte. Das war der Dreh- und Angelpunkt in dem fatalen Dreischritt »Anopheles-Morast-Malariakranker«, denn die Anopheles-Mücke legt ihre Eier am feuchten und warmen Rand von stehenden Gewässern, halb drinnen, halb draußen. Aber das Wasser muss stehend sein, denn fließendes Wasser spült die Eier weg, und damit Brut ade. Dort aber durchläuft das Ei seinen gesamten Zyklus bis zur Larve, und wenn es so weit ist, schlüpft die, kommt an die Oberfläche, schlägt einmal mit den Flügeln und fängt an herumzufliegen, und den ersten Menschen, der ihr über den Weg läuft – ob malariakrank oder nicht –, beißt sie nach Herzenslust, und durch Saugen vermischt sie schließlich das Blut verschiedener Menschen.
    Deshalb musste man alles trockenlegen, jede Pfütze austrocknen, jeden Teich oder Sumpf, und Kanäle graben. Nur fließendes Wasser durfte es geben, kein Glas mit auch nur einem Tropfen Wasser darin durfte im Freien stehenbleiben. Es war eine Todsünde – als wir ankamen –, am Abend versehentlich einen Eimer oder eine Schüssel mit etwas Wasser darin im Freien stehenzulassen. Sie packten einen zusammen – die ONC kontrollierte alles, die Verwalter waren zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs, der unsere verlangte, dass wir den Boden des Abzugskanals neben der Straße auskehrten, es genügte ihm nicht, dass wir das Gras mähten –, sie packten einen zusammen und schickten einen mit der gesamten Familie zurück. Von wegen Umweltzerstörung, von der einige reden, denen zufolge der Sumpf ein Ökosystem war, das wir um jeden Preis hätten schützen sollen. Ach ja? Fehlt nur noch, dass wir jetzt auch die Mücken und die Malaria schützen.
    Wie bitte, was sagen Sie? Dass so auch der Mäusebussard und andere Zugvögel wegblieben? Aber gehen Sie mir doch, Sie und Ihr Mäusebussard! Hat ein Mäusebussard jetzt mehr Recht zu leben als ich? Ich möchte Sie sehen an unserer Stelle, wenn Sie in den Pontinischen Sümpfen mit der Malaria gelebt hätten. Warum züchten Sie nicht bei sich zu Hause Mücken?
    Die Trockenlegung war jedenfalls nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Man brauchte zehn Jahre, um alles urbar zu machen, von Cisterna bis nach Terracina und von den Bergen bis zum Meer. Wir gingen immer abschnittsweise vor, und das nicht langsam, sondern wirklich im Eiltempo. Und während in den trockengelegten Gebieten schon die ersten Siedler wohnten, war weiter unten noch der schlammige Sumpf, und es bestand die Gefahr, dass die Arbeiter – die die neuen Kanäle aushoben – einem an Malaria wegstarben, weil die Mücken in den restlichen Sumpfgebieten noch munter und fidel waren. Man weiß nicht einmal genau, wie viele Malariatote es während der Arbeiten gegeben hat, und ebenso wenig, wie viele, mit Malaria infiziert, zum Sterben in ihre Heimat zurückgekehrt sind, in die Toskana, woher sie gekommen waren, oder nach Kalabrien, in die Ciociaria, nach Sizilien oder in die Region von Bergamo und ganz Italien.
    Mehr als hundertfünfzigtausend Arbeiter wurden von der ONC und den Konsortien eingesetzt, und nicht weniger als zehn Prozent – fünfzehn- oder zwanzigtausend – müssen an Malaria gestorben sein. Sie wechselten sich ab, sie arbeiteten eine Weile lang, und dann hauten sie mit dem bisschen Lohn ab nach Hause. Der Rest ist in Gottes Hand. Diejenigen hingegen, die plötzlich vom Tertianfieber erwischt wurden und am Morgen in der Baracke blieben, aufs Bett hingestreckt und von vierzig Grad Fieber geschüttelt, die wurden auf eine Tragbahre gelegt und zum Sterben schleunigst nach Velletri geschafft, ins Krankenhaus, damit sie nicht als Malariatote in den Sümpfen registriert werden mussten. »Meningitis« oder »Herzinfarkt« stand dann auf dem Totenschein, und »Velletri«, nicht »im Sumpf«, denn der Fascio »hatte die Malaria besiegt«. Aber was heißt hier besiegt, wenn die Leute daran starben?
    Die in Velletri starben, während der Fascio uns eine Mischung aus Karbid, Sand und Straßenstaub in dünner Schicht auf die Wassertümpel aufbringen ließ. Die Staubschicht hielt sich eine Weile lang an der Wasseroberfläche, und wenn die Anopheles-Mücke ihre Eier im Wasser deponieren wollte, kam sie nicht durch und hatte das Nachsehen, die Eier vertrockneten im Staub, und Nachkommenschaft ade. Aber mit Straßenstaub kam man der Malaria nicht bei. Das war nichts. Es

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