Canale Mussolini
und die andere zur Vorratskammer.
Pferd hatten wir hier aber keins mehr – das letzte hatte sich Graf Zorzi Vila genommen –, und mein Großvater konnte das nie verwinden. Ab und zu sagte er: »Aber wie soll das nur weitergehen? Das ist noch nie da gewesen, das hat die Erde noch nicht gesehen, einen Peruzzi, der nicht auf einem Pferd zu Pferde sitzt!«
»Mach dir das mit den Zorzi Vila aus, verflucht alle beide, du und sie«, brachte meine Großmutter ihn zum Schweigen. Und hier hatten wir immer nur Esel, Mulis, Maultiere, die man vor Karren und Einspänner oder Eggen, Heurechen und manchmal auch vor Pflüge spannen konnte. Und die schliefen immer im Stall mit den anderen Tieren, bei den Kühen, während wir in dem Pferdestall – ausgestattet mit dem Notwendigsten, mit Bett und Nachtkästchen – immer einen der Unsrigen schlafen ließen, in der Vorratskammer ebenso. Ich erinnere mich an Sommernachmittage – wenn sich der gedroschene Weizen hoch auftürmte –, da schliefen meine Vettern und ich direkt in diesem Körnermeer, und ich kann Ihnen garantieren, es gibt auf der ganzen Welt kein besseres Bett. So würde ich gerne sterben – mich in einem Weizenbett wälzen –, wenn gähnend meine letzte Stunde kommt.
Neben dem Haus – gleich hinter dem großen Torbogen, der als Wagenremise diente – war der ebenerdige Stall mit Futtertrögen aus Beton, Raufen, geneigten Streulagern, dem Gang in der Mitte und Kippfenstern. Im Obergeschoss des Hauses dagegen, das größer war als das Erdgeschoss, weil es sich auch über den Vorbau erstreckte, waren fünf große Schlafzimmer. Oder besser gesagt, vier große Zimmer und ein kleineres. In jedem Zimmer stand ein Waschgeschirr aus Email, mit der Waschschüssel auf halber Höhe, dem aufrechten Spiegel, der Ablage für die Seife und unten Wasserkrug und Nachttopf. Man wusch sich in der Waschschüssel, daneben stand ein Eimer für das schmutzige Wasser, wenn man es nicht gleich aus dem Fenster schüttete, aber vorher »Achtung!« rief, um die zu warnen, die zufällig unten vorbeigingen. Nur dass fast immer das Wasser früher kam als das »Achtung!« – »Geh zum Teufel, hol dich doch der Geier!«, schallte es dann von unten. Das kleinere Zimmer war ursprünglich als Badezimmer vorgesehen, um sich zu waschen und zu baden. Aber wir haben immer jeden Samstag gebadet – da kam man nicht drum herum, wenigstens einmal in der Woche musste man baden, seitdem wir hierhergekommen waren, sonst bekam man es mit Großmutter zu tun – in der Holzwanne mitten auf der Tenne, wenn schönes Wetter war. Wenn es regnete, in der Küche. Und in das Badezimmerchen stellten wir ebenfalls Betten, einen Nachttisch, ein Waschgeschirr und einen Nachttopf, damit Leute dort leben, schlafen und ausruhen konnten.
Das Podere war nagelneu. Jede Menge Zimmer. Die Wände rochen noch nach Kalk, die Türen nach Lack, und ein so schönes und geräumiges Haus hatten wir noch nie zuvor gesehen. Aber wir waren viele – zu viele, wie ich Ihnen sagte –, und zu viel Platz war da für niemand. Sobald man sich rührte, stieß man mit jemand anderem zusammen. Damals hatten es die Leute bestimmt bequemer im Sarg, wenn sie starben, als in den Familien zusammen mit all ihren Verwandten. Wenn er etwas Ruhe haben wollte, musste Großvater in den Stall gehen und dort bei den Viechern seine Zigarre rauchen.
Vor dem Haus auf der Tenne war der Brunnen. Für jedes Podere ein Brunnen, zwischen fünf und sechs Meter tief und einen Meter Durchmesser, mit Ziegelsteinen verkleidet. Von Hand gegraben. Bei den Höfen auf der Quartärdüne – wo der Boden trockener und der Grundwasserspiegel weiter unten ist – konnten die Brunnen auch bis zu dreißig Meter tief sein, mit Schlagbohrer gegraben, und sie hatten weniger Wasser, weshalb es, wenn der Brunnen einmal leer war, eine Weile dauerte, bis er sich wieder füllte, auf jedem Gehöft gab es daher eine Windradwasserpumpe, ein Gerüst mit Windrad, das langsam quietschend nach und nach das Wasser heraufzog und in einen Behälter füllte. Bei uns in der Gegend hingegen – in der Piscinara und auf dem Hof der Peruzzi – brauchen Sie auch heute noch abends nur ein einen Meter tiefes Loch zu graben, und am nächsten Morgen ist es voller Wasser. Quellwasser. Die Wasseradern verlaufen fast an der Oberfläche. Wasser, so viel man will. Deshalb gedeiht auf unserem Boden alles reichlich und im Überfluss – es ist eben das Gelobte Land –, und die Brunnen trocknen nie aus.
Zum
Weitere Kostenlose Bücher