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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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gegangen. Er würde keinen Schmerz mehr fühlen. Ja, er war im Paradies, weil Gott die Kinder als Engel zu sich nimmt: »Soll er jetzt für uns alle bitten«, sagte Großmutter.
    Wir waren, wie gesagt, am Tag zuvor auf unserem Hof angekommen, und während man von ferne – vier Parzellen weiter – die alte Tosòn kreischen hörte »Bringt mich zurück nach Zero Branco«, und auf der anderen Seite die Stille bei den Mambrins, die an ihren Benitino dachten, war Großmutter als erste vom Lastwagen abgestiegen und kommandierte alle herum: »Los, Kinder, jetzt sind wir hier, und hier bleiben wir für immer. Du hier, du da, du dahinten«, so teilte sie jedem seine Stellung zu.
    »Es wird uns sehr gut gehen hier«, erwiderten alle und machten sich sofort an die Arbeit, die einen luden die Sachen ab, andere trugen sie hinein und stellten sie dorthin, wohin meine Großmutter mit der Hand wies: »Dorthin! Dorthin! Dorthin!« Für uns hatte ein Lastwagen allein nicht gereicht, wir hatten zusätzlich noch zwei Karren mit Ochsengespann gebraucht, und sobald Tante Bissa diese Maremma-Rinder sah, grauweiß und eben mit sehr langen Hörnern, hatte sie gleich angewidert gesagt: »Ja, was sind denn das für Viecher?«
    Die Höfe waren alle gleich. Oder besser gesagt, das Wort Hof steht eigentlich für den gesamten einer Siedlerfamilie zugeteilten Grund und Boden, und das schwankte zwischen zehn und fünfzehn, auch zwanzig Hektar Land, je nach Fruchtbarkeit und Bewässerungsmöglichkeiten. Wir aber nannten das Haus, das wir bewohnten, sofort Hof; nicht den Stall, der gleich dahinter angebaut war, auch nicht den Heuschober oder die Lagerräume, sondern das Haus selbst. Das war der Hof, das podere , denn an der Hauswand zur Straßenseite hin stand oben im zweiten Stock in der Ecke in großen Steinlettern geschrieben: ONC – Podere N°. 517 – Anno X E.F.
    ONC heißt Opera Nazionale Combattenti, und Anno X E.F. bedeutet »Jahr zehn der faschistischen Ära«, also 1932, zehn Jahre nach dem Marsch auf Rom, dem Beginn einer tausendjährigen Ära, die nie mehr enden sollte. Früher hatte es die Welt von früher gegeben, mit ihrer Unordnung und Ungerechtigkeit, in der alle auf Italien herabschauten; jetzt war eine neue Zeit angebrochen, in der der Name Roms triumphieren und der ganzen Welt seinen Frieden auferlegen würde. Oder so sagten wenigstens wir voller Stolz. Auf dem Haus stand in großen weißen Steinlettern Podere , ich wiederhole es noch einmal – schön groß auf dem hellblauen Anstrich –, also nannten auch wir Siedler es immer podere , Hof.
    Der unsere stand – und steht noch heute – an der Parallela Sinistra, der Straße, die auf der linken Seite parallel zum Canale Mussolini verläuft, in dem Abschnitt, der von der Marchi-Brücke aus zunächst die Via Appia und dann die Landstraße überquert. Zwischen der Parallela Sinistra und dem Kanalufer erstreckte sich über etwa vierhundert Meter unser Grund, und an der Straße lagen in dreihundert Metern Entfernung voneinander unsere beiden Höfe. Benachbart. Wir hatten zwei zugeteilt bekommen, weil wir zwei Weltkriegsveteranen in der Familie hatten, Onkel Temistocle und Onkel Pericle. Onkel Temistocle hatte außerdem eine große Familie – er hatte bereits sieben oder acht Kinder in die Welt gesetzt –, alle anderen wurden bei Onkel Pericle mitgezählt: Vater, Mutter, Geschwister, Schwägerinnen, Schwestern und verschiedene Kälbchen. Aber wir haben von Anfang an immer zusammengearbeitet – genau wie wir das dort oben gemacht hatten –, liehen uns Vieh, Werkzeug und Arbeitstage und machten alles gemeinsam. Gleich von Anfang an sagte Großmutter jedoch zu Onkel Temistocle, obwohl sie die Schwiegertochter nie gemocht hatte: »Das ist dein Hof, und alles, was er abwirft, ist deins. So ist es recht.«
    Die Höfe – oder Siedlerhäuser – waren alle hellblau gestrichen. Zweistöckig. Mit zwei Dachschrägen und hölzernem Dachstuhl. Rote Falzziegel. Dachrinnen mit Fallrohr. Auf dem Dach ein großer runder Schornstein aus Fertigbauteilen, bei allen gleich. Die nagelneuen Fenster waren grün gestrichen und hatten außen keine Fensterläden, sondern nur Mückengitter – äußerst feinmaschige Metallgitter, die die Insekten abhielten –, dann kamen die Fensterscheiben und dahinter, innen, Läden aus hell lackiertem Holz, Paneelen, die kein Licht hereinließen.
    Im Erdgeschoss vor dem Eingang zum Haus gab es zum Hof hin einen Windfang oder eine Veranda – ein ebenfalls mit Ziegeln

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