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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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hingekommen war. Ich wusste auch nicht, wieso ich am Anfang der Auffahrt zu unserem Haus stand und hinauf in den Mond starrte. Doch genau das tat ich. Und ich musste es schon eine ganze Weile getan haben, denn meine Hände und mein Gesicht waren starr vor Kälte und mein Nacken steif wie ein Brett.
    Weiß Gott, wonach ich suchte.
    Es gab nichts für mich da oben. Ich öffnete das Tor und ging die Auffahrt hinauf.
     
    Das Haus wirkte still – die Vorhänge zugezogen, sanfte Beleuchtung, stumm und reglos   –, aber das war nicht ungewöhnlich. Es ist eine alte Pfarrei, unser Haus – ein dreistöckiges Gebäude aus Stein, zurückgesetzt von der Straße in einen viertel Hektar endloser Rasenfläche, umgeben von Mauern, Kiefern und gut gepflegten Hecken. Es wirkt immer still.
    Zu still manchmal.
    Es war nicht so schlimm, als Mum noch hier wohnte und Dad seine Praxis in einigen Räumen im Erdgeschoss führte, aber Mum ist inzwischen schon eine Weile fort und Dad hat letztes Jahr eine schicke neue Praxis in Chelmsford eröffnet, deshalb wirkt das Haus jetzt die meiste Zeit öde und leer.
    Nicht dass mir öde und leer etwas ausmacht – genau genommen mag ich dieses Gefühl sogar sehr. Besonders, wenn es mit |47| Komfort verbunden ist, was bei uns ja der Fall ist. Komfort, Wärme, Ruhe   …
    Ein schönes Zuhause.
    Dads Wagen parkte am Ende der Auffahrt. Er hatte mir gesagt, dass er abends noch ausgehen würde, und ich hoffte, er wäre schon fort, aber anscheinend hatte ich kein Glück.
    Nicht dass es wirklich wichtig war.
    Ich war nur einfach nicht in der Stimmung, ihn zu sehen, das war alles.
    Ich war zu gar nichts in der Stimmung.
     
    Als ich die Haustür öffnete, stand er im Flur und zog gerade den Mantel an.
    »Verdammt noch mal, wo bist du
gewesen
?«, fragte er und schaute auf seine Uhr. »Es ist fast zehn.«
    »Die Züge hatten Verspätung«, erklärte ich ihm und schloss die Tür.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mich eben erkundigt – angeblich hat es keine Störung gegeben.«
    »Ich meinte die U-Bahnen «, log ich. »Sie haben sämtliche Züge gestoppt.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Irgendein Problem in King’s Cross.«
    »Du hättest mich anrufen sollen.«
    »Ja, ich weiß   –«
    »Ich habe versucht dich zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet.«
    »Hatte vergessen, den Akku aufzuladen. Tut mir Leid.«
    Er warf mir einen seiner ernsten Blicke zu – mit so einem klassischen |48| Medizinerausdruck in seinem langen Gesicht   –, dann nickte er mit dem Kopf, allem Anschein nach zufrieden, und schloss seinen Mantel. »Hast du Dr.   Hemmings rechtzeitig erreicht?«
    »Ich bin ein bisschen spät dran gewesen«, sagte ich. »War aber kein Problem für ihn   …«
    Dad nickte und bewegte sich schneller. »Wie lief es? Was hat er zu dem Ganglion gesagt? Hat er es entfernt?«
    Ich streckte meinen Arm aus und zeigte Dad mein beulenloses Handgelenk. Keine Wunden, keine Naht, nur ein kleiner Nadeleinstich.
    Dad sagte: »Hat er es aspiriert?«
    »Ja   … alles mit einer großen, fetten Nadel rausgesaugt.«
    Dad nahm mein Handgelenk und untersuchte es genau, indem er es mit seinen großen, empfindsamen Fingern behutsam abtastete. »Hmm   …«, sagte er. »Sieht gut aus. Hat es wehgetan?«
    »Nicht wirklich. Er hat mir eine Kortisonspritze gegeben.«
    »Gut.« Er ließ seinen Finger vorsichtig über das Handgelenk streifen. »Sauber gemacht. Hat gute Arbeit geleistet.« Während er immer noch meine Hand hielt, sah er mich wieder an. »Du hättest mich wirklich anrufen sollen, Joe. Ich habe mir langsam Sorgen gemacht. Wenn du spät dran bist   –«
    »Ja, tut mir Leid.«
    »Dafür ist doch dein Handy da.«
    »Ja, ich weiß, Dad   … ich hab nur nicht gemerkt, wie spät es war.« Ich nahm meine Hand weg und zog meine Jacke aus. »Gehst du noch weg?«, fragte ich ihn, um das Thema zu wechseln.
    »Nur ein bisschen«, sagte er und sah auf die Uhr.
    »Triffst du dich wieder mit Mum?«
    |49| Er nickte, während er ungeschickt an seinem Schlips rumhantierte.
    Ich hängte meine Jacke an den Kleiderständer.
    »Wie geht’s ihr?«, fragte ich.
    »Gut   …« Er lächelte knapp und fasste nach dem Türgriff. »Also, ich geh dann besser mal. Gina ist oben mit Mike. Wenn du irgendwas essen willst, es ist noch ein bisschen kaltes Huhn im Kühlschrank   … und sieh zu, dass du auch Salat isst.« Er öffnete die Tür und zog seinen Kragen hoch. »Und bleib nicht zu lange auf – du hast morgen

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