Candy
Schwesternausbildung ein Praktikum im hiesigen Krankenhaus machte. Mike arbeitete damals als Hilfspfleger und ich glaube, sie sind sich auf dem Flur über den Weg gelaufen. Ein kurzes Hallo, ein bisschen freundliches Geplauder, dann war’s passiert. Seither sind sie unzertrennlich. Gina ist verrückt nach ihm. Sie glaubt, er ist das Beste, was ihr je widerfahren ist, und ich vermute, sie hat Recht. Er ist nett, lustig, ernsthaft, klug – beschützend, aber nicht besitzergreifend, freundlich, aber nicht gönnerhaft, cool, aber nicht mit Absicht – also echt, wenn man’s genau überlegt, ist er fast schon zu toll, um wahr zu sein. Aber er ist eben doch wahr. Was umso rätselhafter macht, warum Dad ihn nicht mag.
»Das ist nur, weil Mike schwarz ist«, hat Gina mal gesagt. »Dad will nicht, dass ich mich mit einem Schwarzen treffe.«
»So ist Dad nicht«, entgegnete ich. »Er mag ja etwas altmodisch sein, ein bisschen festgefahren in seiner Spur, aber so ist er nun doch nicht.«
|56| »Nein?«
»Natürlich nicht.«
»Und? Warum hat er dann was gegen Mike?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht weil er Hilfskraft im Krankenhaus ist.«
»Was ist so schlimm daran? Es gibt doch nichts daran auszusetzen, dass jemand Hilfspfleger ist, verdammt noch mal.«
»Ich weiß. Ich behaupte das ja auch nicht, aber du weißt, wie Dad ist …«
»Ja, er ist ein Snob. Er denkt, nur weil Mike einen Job macht, für den er keine Ausbildung braucht, ist er nicht gut genug für mich. Gott, er ist so engstirnig. Ich meine, hast du neulich seinen Gesichtsausdruck gesehen, als ich ihm erzählte, dass Mike auch als DJ arbeitet? Wenn ich gesagt hätte, Mike ist ein Mörder, hätte er auch nicht leidender gucken können.«
Mike hatte bis vor kurzem regelmäßig in Clubs irgendwo zwischen Essex und London als DJ aufgelegt. Auf die Art verbrachte er viele lange Nächte an lauter merkwürdigen Orten mit jeder Menge merkwürdigen Typen, aber er machte diese Arbeit wirklich gern – weshalb es ihm nichts ausmachte, ansonsten im Krankenhaus zu arbeiten. Hilfspfleger zu sein war sein Job, aber DJ sein war das, was er wirklich
tat
. Dad konnte das natürlich nicht verstehen. Er begriff nicht, wie jemand einfach nur einen Job machen konnte und nicht Karriere, dass jemand einfach etwas tat, weil er es richtig gern machte.
Das war jenseits seiner Vorstellung.
Wie auch immer, vor ungefähr sechs Monaten hatte Mike seinen Job im Krankenhaus geschmissen und in Rumford einen eigenen kleinen Laden aufgemacht, wo er D J-Equipment verkauft |57| und vermietet – Mischpulte, Steuergeräte, Lautsprecheranlagen, solche Sachen. Anfangs hat er auch noch als DJ weitergemacht, aber nach einiger Zeit merkte er, dass ihm die geschäftliche Seite fast genauso gefiel wie die Arbeit als DJ selbst. Außerdem war sie weniger anstrengend und lukrativer. Also hat er sich inzwischen als DJ weitgehend zurückgezogen und sein Geschäft läuft richtig gut – hat sich echt einen Namen gemacht und verdient haufenweise Kohle –, aber für Dad ändert das nichts. Er kann ihn immer noch nicht ausstehen. Was ab und zu schon mal Probleme gibt, um es vorsichtig auszudrücken.
Deshalb wusste ich nicht, was ich sagen sollte, als ich an jenem Abend in die Küche runterging und Gina mir erzählte, Mike habe sie gefragt, ob sie ihn heiraten wolle. Ich freute mich natürlich für die beiden und es war schön, die Begeisterung in ihren Gesichtern zu sehen, aber ich machte mir doch Gedanken, was Dad wohl sagen würde.
»Hast du es ihm schon erzählt?«, fragte ich Gina.
Sie schüttelte den Kopf. »Mike hat mich erst heute Abend gefragt – schau …« Sie wedelte mit ihrem Finger vor mir rum und zeigte stolz ihren Ring.
»Sehr schön«, sagte ich und schaute zu Mike. »Nehme an, du hattest noch ein paar Knallbonbons von Weihnachten übrig.«
»Ich sag dir was, das ist ein erstklassiger Platinring«, antwortete Mike.
»Wer hat dir das erzählt?«
»Der Typ, der sie im Pub verkauft hat – erstklassig, hat er gesagt, achtundvierzig Karat Platin, sehr hochwertig.«
»Hochwertige Ware für einen hochwertigen Typen.«
»Das stimmt.«
|58| Er grinste Gina über den Tisch an, brachte sie zum Strahlen und ich fragte mich, warum ich vor ihm nicht genauso viel Schiss hatte wie vor Iggy. Es war ein unangenehmer Vergleich, ich kam mir richtig dämlich vor dabei, denn ich wusste, ich zog ihn nur, weil sie beide groß und schwarz waren, und das ergab überhaupt keinen Sinn. Ich hatte
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