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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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–«
    »Nein,
du
hörst mir zu.« Er beugte sich über seinen Schreibtisch und sah mich an. »Ende nächster Woche fahre ich weg. Ich werde sechs oder sieben Tage fort sein. Bis zu meiner Rückkehr hast du Hausarrest, hast du mich verstanden? Wegen heute hast du ohne meine ausdrückliche Erlaubnis weder an den Wochenenden noch abends nach sechs Ausgang.«
    »Aber Dad   –«
    Er hielt seine Hand hoch. »Ich bin noch nicht fertig – hörst du mir zu?«
    »Ich wollte doch nur   –«
    »Hörst du mir
zu

    »Ja«, seufzte ich.
    »Also – es sind Ferien, wenn ich weg bin, aber es gelten dieselben Regeln und ich erwarte, dass du sie von selbst befolgst, ohne |123| Erinnerung von Gina. Sie hat selber genug am Hals, sie kann nicht auch noch die ganze Zeit auf dich aufpassen. Ich muss wissen, dass ich dir vertrauen kann, Joe. Ich gebe dir die Verantwortung für deine eigene Disziplin, und wenn du sie nicht ernst nimmst, bist
du
der Einzige, der sich blamiert.«
    Ich sah ihn an und hätte ihn gern gehasst, aber ich konnte es nicht. Er war mein Dad. Was immer ich für ihn empfand,
hassen
konnte ich ihn nicht. Doch ich konnte seine dämliche Argumentation hassen, die Art, wie er einerseits mit mir umging, als wäre ich ein Kind, und andererseits erwartete, dass ich mich benahm wie ein Erwachsener.
Warum kannst du dich nicht entscheiden, Dad?
, wollte ich sagen.
Behandle mich wie ein Kind oder wie einen Erwachsenen, aber nicht wie irgendwas dazwischen.
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte er mich.
    »Ja, ich hab’s gehört.«
    »Hast du ein Problem damit?«
    Ich zögerte einen Moment und dachte an den Auftritt am Freitag. Ich war hin- und hergerissen zwischen Mundhalten – und einen Ausweg suchen, wenn es an der Zeit war – oder Ehrlichkeit. Es war verführerisch, lieber den Mund zu halten, doch am Freitagabend ohne Dads Wissen nach London zu kommen würde bestimmt nicht einfach sein. Wenn ich aber ehrlich war, das heißt, wenn ich erklärte, wie wichtig der Auftritt war, und Dad bat, dass er mich gehen ließe, er aber Nein sagte, wäre er vorgewarnt; also würde er wachsam sein und es so gut wie unmöglich machen, dass ich ohne sein Wissen wegkäme.
    Ich sah ihn an und versuchte zu entscheiden, welchen Zug ich spielen sollte. Sein Gesicht war jetzt ruhiger. Er wirkte immer noch todernst, aber seine Wut hatte sich gelegt und ich glaubte einen |124| Hauch von Mitgefühl zu spüren.
    Oder jedenfalls wünschte ich es mir.
    »Was ist mit Freitag?«, fragte ich ruhig.
    »Freitag?«
    »Du weißt doch – der Auftritt   … mit der Gruppe. Den
Katies
. Wir spielen in London   … Ich hab dir davon erzählt, erinnerst du dich?«
    »Wie könnte ich das vergessen?«
    »Wenn du mich wenigstens da hingehen ließest   –«
    »Ich glaube nicht.«
    »Es ist nur ein Abend   …«
    Er zuckte die Schultern.
    Ich sagte: »Aber es ist wirklich wichtig, Dad. Wenn ich nicht hingehe, können die andern nicht spielen. Ich würde sie hängen lassen. Wir haben schon das ganze Equipment gemietet und alles, es kommen Leute, die uns sehen wollen. Wir haben Karten verkauft   –«
    »Darüber hättest du früher nachdenken sollen.«
    »Komm, Dad   … du bist nicht fair.«
    »Tja, nun weißt du mal, was das für ein Gefühl ist.«
    »Aber du erzählst mir doch immer, dass man Verantwortung übernehmen muss. Was ist mit meiner Verantwortung allen andern gegenüber? Dem Rest der Gruppe, den Veranstaltern, den Leuten, die bezahlt haben.«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Wieso?«
    »Weil sie nicht Familie sind, sie sind nur   …«
    »Was? Sie sind nur was?«
    Er schüttelte den Kopf. »Verdreh mir nicht die Worte, Joe. Du |125| weißt genau, was ich meine.«
    »Ja   …«, sagte ich und nickte mit dem Kopf, als wüsste ich, was er meinte, könnte es aber nicht glauben. In Wirklichkeit wusste ich nicht, was er meinte, sah jedoch, dass er aus irgendeinem Grund etwas unruhig wurde, und das war alles, was ich wissen musste. Ich nickte weiter und versuchte vorwurfsvoll zu schauen. Das war nicht leicht, aber merkwürdigerweise schien es zu wirken. Dads Gesicht begann nervös zu zucken und sein Mund hatte etwas an Selbstgewissheit verloren.
    Ich starrte ihn weiter an.
    Nach kurzer Zeit räusperte er sich und sagte: »Menschen sind verschieden, das ist alles, was ich sage.«
    Ich antwortete nicht.
    »Ich meine nicht einfach irgendwie verschieden«, sagte er und versuchte, sich selbst aus der Patsche zu ziehen. »Ich meine nur, dass

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